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Die “Persilfrau”

Die Außenwerbung von Persil ist eines der beliebtesten Fotomotive entlang des Karl-Heine-Kanals: die sogenannte Persilfrau. Seit 1936 ziert ihr Antlitz die Giebelwand neben der König-Johann-Brücke an der Zschocherschen Straße.

Der Künstler und Plakatgestalter Kurt Heiligenstaedt entwarf die Dame in weißem Gewand für die Firma Persil im Jahr 1922. Seitdem wurden die Motive variiert, das Erscheinungsbild der Persilfrau selbst mit dem weißen Hut und dem knielangen, wehenden weißen Kleid jedoch blieb gleich.

Das Leipziger Wandbildnis ist Eigentum der Henkel AG & Co. KGaA. Sie ist die größte Außenwerbung, die die DDR-Zeit überdauert hat und wurde 1993 rekonstruiert. Dem ging eine private Initiative voraus: Der Fotograf Frank-Heinrich Müller setzte sich für den Erhalt der stark sanierungsbedürftigen Außenwerbung ein und wandte sich an die Firma Henkel, die umgehend reagierte und sich der Persilfrau am Karl-Heine-Kanal annahm. Leider wurde sie in der Zwischenzeit beschmiert, so dass sie nicht mehr in originalem Zustand zu sehen ist.

Autorin: Kathrin Töpfer, Dezember 2021

Quellen:
http://www.photographiedepot.de/content/2projekt/12_93persil.htm
https://www.persil.de/ueber-persil/history.html
(beide zuletzt aufgerufen am 20.12.2021)




Spreadshirt

Titel des Objekts: aktuell: sprd.net AG (Spreadshirt)

Adresse: 04229 Leipzig, Gießerstr. 27 (zugehörig: Naumburger Str. 33), Naumburger Str. 31 und 29

Stadtteil: 04229, Leipzig, OT Plagwitz, Gemarkung Kleinzschocher, Flurstück 326/l (Brand-Kat. 100; Gießerstr. 27/zugleich Naumburger Str. 33), 326m (Brand-Kat. 99; Naumburger Str. 31), 410 (Brand-Kat. 98; Naumburger Str. 29)

Nutzungsgeschichte/Branchen

  • Fa. Reinhold Wünschmann (Maschinenbau) u. Schumann‘s Elektrizitätswerk (Elektrotechnische Apparate)
  • Unruh & Liebig (Transportanlagen)

dann in wechselnden Bezeichnungen: 

  • SAG Podjomnik (1.8.1946), 
  • SAG Transmasch (1.1.1950) und 
  • SAG S.M. Kirow (1.1.1952) (auch: Kirow-Werk),
  • VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow (1.1.1954), 
  • dann: im Kombinat TAKRAF 
  • sprd.net AG (Spreadshirt, E-Commerce-Plattform für den On-Demand-Druck von Kleidung und Accessoires)

Denkmalstatus: kein Eintrag in Denkmalliste und -karte des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Dresden

Objektgröße: nach Grundbuch-Abdruck vom 15.01.2020, Bauzeichnungen und Lageplänen ca. 4000 m2 (Fabrikgelände 1897ff.) – ca. 8330m2 (Erweiterung 1950er Jahre)

Objektbeschreibung:

Überblick: Das Areal entlang der Gießerstr. zwischen Markranstädter- und Naumburger Str. war als Besitz der Leipziger Westend-Baugesellschaft, wie eine Karte in ‚Leipzig und seine Bauten‘ zeigt, 1890 unbebaut. In den folgenden Jahren setzte hier eine intensive Bautätigkeit und Unternehmensansiedlung ein: Auf Stadtplänen von 1903 und 1905 ist das gesamte Viertel als bereits bebaut angegeben; auch die Wohnbauten Gießerstr. 25 und Naumburger Str. 30, 32 sind in dieser Zeit errichtet worden. Auf dem durch die Firma Reinhold Wünschmann (Herstellung von Kerzengussmaschinen) erworbenen, offenbar unbebauten Grundstück Gießerstr. 27 errichtete diese nach der Bauakte 1897 gemeinsam mit dem personell zugehörigen Schumann‘s Electrizitätswerk eine Fabrik. 

Die Firma Reinhold Wünschmann (Herstellung von Kerzengussmaschinen) erwarb das offenbar unbebaute Grundstück Gießerstr. 27. Der Bauakte zu entnehmen errichtete die Fa. Wünschmann gemeinsam mit der personell zugehörigen Firma Schumann´s Electrizitätswerk eine Fabrik.

Letztere handelte mit elektrischen Anlagen wie Motoren und besorgte die Elektrifizierung von Nebenbetrieben wie C.F. Weithas Nachf. (durch Ausstattung mit entsprechenden Anlagen, nach Buhl auch durch Stromlieferung). Zur Fabrik gehörte auch eine Dampfkesselanlage zur Erzeugung von Energie und Dampf zum Maschinenantrieb, die nach Anschluss an die Versorgung mit elektrischem Strom (ca. 1916) zumindest zu Heizzwecken weiterbetrieben wurde. 

Zudem hatte die Fabrik wie ihr Nachbarunternehmen C.F. Weithas Nachf. Zugang zum Industriegleis P XII. Die Grundstücke Naumburger Str. 31 und 29 gelangten als Reserven für Betriebserweiterungen in den Besitz der Firma und wurden offenbar (wohl teilweise und zeitweilig) an verschiedene Unternehmen vermietet: An die AG Beton und Monierbau (Naumburger Str. 31) oder die 1891 gegründete Leipziger Zweigniederlassung des Berliner Unternehmens (Julius) Freudenstein & Co. (ab 1899 als Stahlbahnwerke Freudenstein & Co. AG, Fabriken für Feld-, Forst- und Industriebahnen), die um und nach 1900 an der Naumburger- 29 zumindest zeitweilig ein Lager unterhielt. Das (bebaute) Firmengelände ging 1917 als Werk II in den Besitz von Unruh & Liebig über (Stammwerk Naumburger Str. 28 an der gegenüberliegenden Straßenseite). In dessen Auftrag wurden verschiedene bauliche Veränderung und Neubauten vorgenommen; dazu gehörten in den 1940er Jahren auch die Errichtung zweier Arbeitslager.

Werk I und II wurden seit den 1950er Jahren dem Betriebsgelände des Nachfolgebetriebes, dem SAG Transmasch (vorm. Unruh & Liebig / Kirow-Werk)  inkorporiert, zusammen mit Nachbargrundstücken in der Naumburger Str. (Nr. 27: Fa. Hammer, Nr. 25: Fa. Törpsch als Werk V) und Markranstädter Str. 8 (und Gießerstr. 29: Fa. C.F. Weithas Nachf. als Pachtbetrieb Werk IV) sowie Markranstädter Str. 4/6 (Fa. Max Billhardt bzw. Fa. Eberspächer). In dieser dritten Nutzungsperiode erfolgten umfangreiche Um- und Neubauten. Die doppelte Sperrung der Naumburger Str. bedeutete die Umwandlung einer öffentlichen Verkehrsfläche in Betriebsgelände (Werksstraße).

Die gegenwärtige vierte Industriebelegung des Grundstücks Gießerstr. 27 erfolgte durch Spreadshirt, ein 2002 gegründetes, 2006 von einer GmbH (2003) in eine AG überführtes Unternehmen, das gegenwärtig nach eigenen Auskünften ca. 900 Mitarbeiter an fünf Produktionsstandorten beschäftigt. Die Fa. nutzt das Grundstück im Besitz der Plagwitzer Immobiliengesellschaft/CG-Gruppe als Mieter. In diesem Zusammenhang erfolgten 2008 Umbau und Erweiterung des Bautenensembles Gießer-/Naumburger Str. durch das Architekturbüro Homuth + Partner, das dafür 2011 mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig geehrt wurde.

Die in den Spreadshirt-Neubau integrierte Fassade des ersten Industriebaus an der Gießerstr. ist im wesentlichen erhalten geblieben. Aus der Bebauungsphase der 1950er Jahre stammen Teile der Fassade in der Naumburger Str., die Stützen des Eisenlagers in der Ostwand des Spreadshirt-Gebäudes und auf dem Grundstück Naumburger Str. 29 der unmittelbar benachbarte Hallenbau (aktuell zumindest z.T. von der Fa. obeta electro genutzt; am größeren rückwärtigen Teil der Halle sind gegenwärtig Bauarbeiten im Gange; vermutlich ist eine neue Nutzung vorgesehen).

Unternehmensgeschichte: Reinhold Wünschmann / Schumann‘s Elektrizitätswerk und Nachfolgeunternehmen: Die Geschichte des Unternehmens lässt sich in Grundzügen anhand von Unterlagen im Staatsarchiv unter Zuhilfenahme von Adressbüchern rekonstruieren.

Heinrich Reinhard Friedrich Wilhelm Oscar Schumann (gest. 1897) war ein sehr aktiver Unternehmer, zu dessen Gründungen u.a. das spätere Industriearmaturenwerk Schumann & Köppe gehörte. Sein Unternehmen Schumann‘s Electricitätswerk (der erläuternde Nebentitel variierte, im folgenden: SE), hervorgegangen aus Schumann‘s Mechanischer Werkstätte zur Einrichtung elektrischer Beleuchtung, handelte anfangs mit Stromerzeugern besonders französischer Bauart (Gramme, Paris) und war mit der Ausführung von elektrischen Licht- und Kraftanlagen befasst. Später wurde eine eigene Produktion aufgebaut, zu der auch eine Bogenlampenherstellung gehörte, die später an Körting & Matthiesen verkauft wurde. Beide hatten, bevor sie sich mit eigener Firmengründung selbständig machten, in Schumann‘s Werkstätte gearbeitet. Das Unternehmen besaß offenbar einige Bedeutung auf diesem jungen elektrizitätsindustriellen Gebiet. 

1897 zählte es 70 Beschäftigte, 1903 ca. 90. Im Jahr 1892 hatte es den Ehrenpreis der Stadt Leipzig und auf der Antwerpener Weltausstellung 1894 eine Goldmedaille erhalten. Auf der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Leipzig von 1897 war SE (nach eigener Angabe bereits 1885 gegründet) in einem Ausstellungspavillon mit vertreten. Das Unternehmen verwendete in seiner Geschäftspost zumindest vier verschiedene Briefköpfe, u.a. mit einer Werksansicht.

Schumann‘s Elektricitätswerk ist am 2. August 1893 im Handelsregister eingetragen worden und wurde als Kommanditgesellschaft betrieben. Es war nach Adressbüchern zunächst in der Mittelstr. 7 (Hans-Poeche-Str.) ansässig. Nachdem Friedrich Wilhelm Oscar Schumann 1897 verstorben war, wurde August Wilhelm Oscar Schumann (vermutlich ein Nachkomme) in diesem Jahr Mitinhaber und Kommanditist, schied aber bereits 1902 wieder aus der Fa. aus. Damit war kein Mitglied der Familie Schumann mehr an dem Unternehmen beteiligt. Dieses bestand jedoch fort. Bereits 1896 wurden der Ingenieur Ewald Gotthold Egbert Wünschmann, Besitzer der Lichtgiessmaschinenfabrik Reinhold Wünschmann (Elisenstr. 12 ansässig, heute B.-Göring-Str., 1864 als Rüdig & Wünschmann gegründet) und Julius Eduard Franz Graff Mitinhaber (zudem ab 1891 Mitinhaber der Fa. R. Wünschmann). Die Fa. R. Wünschmann war seitdem, wie ein Briefkopf (Geschäftsschreiben vom 11.01.1908) ausweist ‚Schwesterfirma‘ von SE, welche im amtlichen Schriftverkehr stets mitzeichnete und 1897 Mitbauherrin für das gemeinsame Fabrikgebäude gewesen ist. Daher finden sich auch für die Jahre zuvor beide Firmen an denselben Orten verzeichnet: Gießerstr. 19 (ab 1907 Nr. 27) und Braustr. 19 (= Naumburger Str.; diese Angabe lässt sich nicht verifizieren). Beide Firmen hatten bis 1919 eine gemeinsame Betriebsleitung und prokuristische Vertretung. In der Naumburger Str. 31 und 29 bestanden ab 1905 zeitweilig Lagerflächen, die auch verpachtet wurden.

Vermutlich produzierte die beide Unternehmen umfassende Fa. in der Gießerstr. 27 unter dem Namen Wünschmann Kerzengießmaschinen und unter dem Namen Schumann elektrische Anlagen (vgl. den Bauantrag 1897, s. unten). Werbeanzeigen im Leipziger Adressbuch von 1903, 1905 und 1909 kennzeichnen SE in erster Linie als produzierendes Unternehmen, zudem als Installations- und Handelsbetrieb. Ein Bericht zum späteren Konkursverfahren 1932 teilt hingegen mit, dass SE (ausschließlich) als Handelsgesellschaft fungierte. Auf jeden Fall wurde in der mit einer Dampfkesselanlage und angeschlossenem Maschinenhaus (sowie ‚Accumulatorenraum‘) ausgestatteten Fabrik auch produziert. In Bauzeichnungen sind die verschiedenen Betriebsräume näher bezeichnet: Während ‚Schmiede‘, ‚Werkzeugschlosserei‘, ‚Spähnelager‘, ‚-gußlager‘ nur allgemein auf eine Maschinenfabrik, ‚Kranhalle‘ auf den Transport schwerer Objekte hinweisen, ‚Magazin‘, ‚Packraum‘ u. ‚Kistenlager‘ auf produktionsnotwendige Lagerhaltung und Versand signalisieren, gestattet die Angabe ‚Zinnschmelzerei‘ keine Entscheidung darüber, ob elektrotechnischer Anlagen oder Kerzengussmaschinen hergestellt wurden, denn zur Herstellung beider Produkte fand Zinn Verwendung, in großen Ausmaß bei letzteren. ‚Prüffeldraum‘ hingegen assoziiert eher elektrotechnische Objekte. Auch ist die Fabrik kein auf die die funktionellen Zusammenhänge spezifischer Produktionsvorgänge hin entworfener Industriebau.

Nach dem Tod von Reinhold Wünschmann wurde dessen Witwe Henriette Victorie 1897 kurzzeitig Mitinhaberin, dann bis zu ihrem Ausscheiden 1918 Kommanditistin. 1914 trat der Ingenieur Amy Richard Wilhelm Felix dem Unternehmen als offener Gesellschafter (Komplementär) bei (Egbert Wünschmann wurde Kommanditist), zudem war er kurzzeitig Mitinhaber der Fa. Wünschmann. Für die 1917, 1918 und 1919 ausgeschiedenen Gesellschafter Egbert Wünschmann, Victorie Wünschmann und Franz Graff traten 1919 der Ingenieur Max Lange (offener Gesellschafter) und der Kaufmann Ewald Schlundt (Kommanditist) dem Unternehmen bei, das nun also von Felix und Lange geleitet wurde. Damit scheinen sich auch die Wege der beiden Unternehmen Wünschmann und Schumann zu trennen. Nachdem das Firmengelände in der Gießerstr. 27 / Naumburger Str. 33, 31 und 29 bereits Ende 1916 in Besitz der Peniger Maschinenfabrik und Eisengießerei, Aktiengesellschaft in Penig, d.h. Unruh & Liebig (Werk I: Naumburger Str. 28) übergegangen war (und seitdem als ‚Werk II‘ dieses bisherigen Nachbarunternehmens fungierte), wurde 1919 die serielle Produktion von Motoren nach Saalfeld verlagert und dort als Schumann´s Electricitätswerk Werk Saalfeld mit ca. 120 Arbeitern und 20 Angestellten in gemieteten Räumen betrieben. Die beiden Unternehmen in Saalfeld (Geschäftsführer: Felix, Lange) und Leipzig (Geschäftsführer: Schlundt, 1919-1925 OHG) waren handelsgerichtlich getrennt, mit denselben Inhabern (Felix, Lange) eingetragen. In Leipzig verblieb der Warenvertrieb Saalfelder Motoren, später auch anderer Hersteller mit ca. 10 Angestellten. Angemietete Geschäftsräume befanden sich nach Adressbüchern von 1910-1932 in der Kleinen Fleischergasse 8 bzw. Hainstr. 5 (Kleine Joachimstalpassage), zudem besaß die Fa. in den 1920er Jahren einen Messestand bei dem 1921 gegründeten Haus der Elektrotechnik e.V., in dessen Ausstellungsgebäude auf der Technischen Messe (Halle 10, errichtet 1923).

Im neuen Werksteil von Unruh & Liebig wurde im 1. Weltkrieg die Produktion von Rüstungsgütern (Granaten) betrieben, erneut im 2. Weltkrieg (Munitionsaufzüge). Unruh & Liebig verpachtete ca. 1936/37 Teile des Werkes II an die Leipziger Werkzeug- und Gerätefabrik GmbH, die dort eine mit Acetylen betriebene Schweißanlage (Azetylen-Entwickler der Fa. Messer & Co., Berlin) sowie einen ‚Vulkan-Lufthammer‘(einer Fa. aus Berlin-Neukölln) mit einem Bärgewicht von 125 kg errichten ließ.

Das Schicksal des erwähnten Saalfelder Unternehmens ist nicht klar: 1925 liquidiert, jedoch noch 1938 ebd. Bernhardstr. 14 nachweisbar. Kaum besser erging es dem Leipziger Unternehmen. Konnte es sich noch von den Folgen der Inflation erholen, bedeutete die Weltwirtschaftskrise den Niedergang in den Konkurs ab 1932. Zahlungen an Schlundt aus dem Firmenvermögen beschleunigten diesen Vorgang. Felix, Lange und Schlundt schieden 1933 als Gesellschafter aus. Die Fa. wurde an den Kaufmann Gustav Eduard Johannes Meschke verkauft, der zu einem der Inhaber in einem Verwandtschaftsverhältnis gestanden hatte sowie seit 1909 Prokurist und seit 1926 Geschäftsführer der Fa. gewesen war. Das Konkursverfahren wurde 1936 mangels Masse eingestellt. Meschke betrieb das Unternehmen, mehr schlecht als recht, unter dem angestammten Namen bis zu seinem Tod am 10.12.1943 als Angestellter eines anderen Unternehmens (Fa. Panier, Leihhaus, Nordstr. 58) von seiner Wohnung aus. 1946 erfolgte die Löschung der Fa.

Nach Verkauf der Fabrik an Unruh & Liebig führte F. Graff nach Ausscheiden Ewald Gotthold Egbert und Henriette Wünschmanns die Fa. Wünschmann in Lindenau, Josephstr. 31 fort. Mit dem Tod Graffs 1925 übernahm der 1919 der Fa. beigetretene Curt Gustav Beilicke als Alleininhaber im April 1926 die Unternehmensleitung (Kommanditgesellschaft), die wiederum nach dessen Tod 1959 an dessen Ehefrau Ella Hildegard Beilicke (geb. Graff) überging (1967 neu verheiratet als Ella Reichelt).

1948 zählte das ‚stark in den Export eingeschaltete‘ Unternehmen 10 Beschäftigte, davon 8 Arbeiter (1946 7-8 Beschäftigte, davon 6-7 Arbeiter). Firmenunterlagen illustrieren die Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, insbesondere von Zinn zur Herstellung von stearinbeständigen Gussformen. Bereits 1960 erfolgte eine staatliche Unternehmensbeteiligung durch den VEB (K) Feineisenbau Leipzig (infolge Kombinatsbildung ab 1970 VEB Kombinat Orsta-Hydraulik). 1966 schied E.H. Beilicke aus der Geschäftsführung aus. 1972 wurde der Betrieb an den VEB Akkumulatorenbau Markkleeberg (Orsta-Hydraulik) verkauft, der nach Liquidation des Unternehmens 1973 Rechtsnachfolger des Firmengrundstücks wurde. Die Liquidation erfolgte, obwohl der Wirtschaftsrat noch 1971 die Produktion von Kerzengießmaschinen durch die Fa. Wünschmann als Alleinhersteller für volkswirtschaftlich wichtig und ‚unbedingt zu erhalten‘ erklärt hatte.

Nach 1945 wurden die Betriebsteile von Unruh & Liebig in die SAG Transmasch überführt, der am 01.12.1952 der Name S.M. Kirow verliehen wurde (seitdem auch Kirow-Werk), die SAG ging erst 1954 in das Eigentum der DDR über. Der Betrieb wurde dem VVB Ausrüstung für Bergbau und Schwerindustrie (ABUS), dann dem VVB TAKRAF angegliedert. Spätestens durch die letzte Angliederung wurde das Unternehmen zum Großbetrieb aus 26 Einzelbetrieben mit 40.000 Beschäftigten und der Forschungseinrichtung Institut für Fördertechnik Leipzig. 1979 fusionierten der VVB TAKRAF mit dem VEB Transportanlagenbau Leipzig zum VEB Schwermaschinenbaukombinat TAKRAF. In Plagwitz wurden dem Kirow-Werk ab ca. 1950 neben Werk I und II der ehemaligen Fa. Unruh & Liebig verschiedene Nachbarbetriebe als Werke III (bisher nicht identifiziert), IV und V inkorporiert. Damit gehörte das gesamte Areal zwischen Zschocherscher- und Gießer-, Naumburger- und Markranstädter Str. mit Ausnahme der ehemaligen Fabrik Swiderski zu diesem Großbetrieb, weiter die Produktionsstandorte von Grohmann & Frosch in Plagwitz und Lindenau. Der Expansion eines derart großen (Stamm-)Werkes waren in Plagwitz Grenzen gesetzt, weshalb bereits 1948 die Einrichtung eines neues Betriebsgeländes in Böhlitz-Ehrenberg erfolgte; der Plagwitzer Standort blieb prekär.

Das Kirow-Werk, heute Kirow-Ardelt GmbH, gehört zu den wenigen DDR-Betrieben, die die politische Wende 1989/90 und die Treuhand überstehen konnten. Die Nutzungsgeschichte des ehemaligen Betriebsgeländes an der Naumburger Str. nach 1989 müsste noch eruiert werden; 2008 erfolgte ein Umbau der Werksanlagen für das Unternehmen Spreadshirt.

Baugeschichte (s. Planskizzen): Die Bauakte beginnt mit dem Antrag der Unternehmen Reinhold Wünschmann und Schumann‘s Elektricitätswerk vom 03.04.1897 zur Errichtung eines Fabrikneubaus an der Ecke Gießer- u. Naumburger Str., in den die in der Elisenstr. 12 (Bernhard-Göring-Str.) und Mittelstr. 7 (Hans-Poeche-Str.) bestehende ‚Maschinen- resp. elektrotechnische Fabrik zur Fabrikation von Kerzengussmaschinen bzw. elektrischen Maschinen‘ verlagert werden sollte. Der durch das Leipziger Architekturbüro Händel & Franke (mit mehreren Tekturen) projektierte und statisch berechnete, durch das Baugeschäft F.P. Bastänier & George ausgeführte Neubau ist zum 01.10.1897 fertiggestellt worden; J.S. Buhl hat ihn in ihrer Studie zu Plagwitzer Industriearchitektur nicht behandelt. Er bestand aus einem zweigeschossigen Gebäude an der Gießerstr. für technische Abteilung und Verwaltung auf der linken Seite und Garderobe und Essräumen auf der rechten Seite des Gebäudezugangs. Des Weiteren aus einem hinter Verwaltung und technischem Büro und an der Naumburger Str. liegenden durchgehend eingeschossigem ‚Arbeitssaal mit Shedoberlicht’ auf stählernem Tragwerk und Kranhalle mit durchgehendem Oberlicht (in der Bauakte als Sheddach bezeichnet; integriert war ein Packraum genanntes Areal) in Nord-Süd-Ausrichtung als sein östlicher Abschluss.

Nur die beiden Gebäudeecken an der Naumburger Str. sind als zweigeschossige Hochbauten hervorgehoben. Die Fassade an der Gießerstr. war hinsichtlich der Wandöffnungen 16-achsig (Gebäudezugang zweiachsig), die der Naumburger Str. neun-achsig, die abgeschrägte Gebäudeecke einachsig. An diesen Arbeitssaal anschließend: im Osten Maschinen-, und Kesselhaus mit ‚Acumulatorenraum‘ sowie sanitäre Einrichtungen, als südliche Raumflucht verschiedene Lager sowie eine Schmiede. Im Arbeitssaal war ein gesonderter Bereich als Magazin ausgewiesen (Arbeitssaal ohne Magazin ca. 32 m in Ost-West- und 44,26 m in Nord-Süd-Richtung), dem sich östlich Zinnschmelzerei und Werkzeugschlosserei anschlossen. Diese innere Disposition hat im Laufe der Zeit, bald nach 1900 einsetzend, mehrfach Veränderungen erfahren. Das nach und nach mit verschiedenen Schuppen (zudem einem zeitweiligen Kontorgebäude) bebaute Hofgelände östlich des Arbeitssaales erstreckte sich in der Naumburger Str. nach Osten bis einschließlich  in Höhe des Wohnhauses Nr. 30, in der Gießerstr. bis zum Industriegleis und der Nachbarfabrik C.F. Weithas Nachf.

Zumindest die Fassade der Gießerstr. ist als unverputzter Ziegelbau im wesentlichen erhalten geblieben; die Abschrägung der Gebäudeecke ist bereits 1897 geplant und ausgeführt worden. Die Fassade ist, zwischen Werksteinsockel und Dachgesims mit Attika darüber, vertikal durch flache durchgehende Wandvorlagen zwischen den Fenstern bzw. Fensterpaaren gegliedert, die sich in der Attika fortsetzen. Eine ähnliche Gestaltung zeigt die Fabrik Grohmann & Frosch (heute Kirow-Ardelt GmbH) in der Gießerstr. Die Attika verleiht dem Bauwerk einen klaren, markanten oberen Abschluss und verdeckt die dahinterliegenden Dachbauten.

Die beiden Gebäudetrakte nördlich und südlich des Zugangsbereiches unterscheiden sich vor allem in ihren Fensterformen: Während auf der Nordseite Segmentbogenfenster mit geradem Sturz im Erdgeschoss und rechteckige Fenster im Obergeschoss Verwendung fanden, sind auf der Südseite kleinere, paarweise angeordnete Segmentbogenfenster verwendet worden. Der ehemalige Zugang an der Gießerstr. ist heute ablesbar an dem Fassadenabschnitt, in dem unten der zum ursprünglichen Bauwerk gehörende niedrige Werksteinsockel unterbrochen ist. Die Bauzeichnung sah einen hinter die Gebäudeflucht zurückspringenden Abschnitt in zweiachsiger Gliederung aus Tür mit Fensterpaar darüber in der südlichen, zwei übereinander angeordneten Fenster in der nördlichen Achse vor, dessen oberes mit einem an dieser Stelle nicht überzeugenden (und in einer Tektur gestrichenem) Balkon versehen werden sollte, während am unteren eine Treppe zu einem seitlichen Eingang angedeutet ist. Alle Wandöffnungen haben Segmentbögen.

Dieser Hofraum ist zur Gießerstr. hin wohl durch eine Einfriedung geschlossen worden. Diese Situation blieb offenbar bis zu einem Umbau 1949/50 erhalten. Der nicht erhalten gebliebene südliche Gebäudeabschluss sollte lt. Bauzeichnung aus einer Mauer mit angeschlossenem zweiflügeligen schmiedeeisernen Tor bestehen (die heutige Gestalt war spätestens Ende der 1930er Jahre vorgeformt). Die Grundstücksgrenze bildete das Industriebahngleis P XII, das sich das Unternehmen mit der benachbarten Fa. C.F. Weithas Nachf. teilte.

Ein Briefkopf (Geschäftsschreiben vom 11.01.1908) zeigt das gesamte bebaute Areal aus der Vogelperspektive und spiegelt die gebaute Realität offenbar recht genau wieder; die Existenz des benachbarten Unternehmens C.F. Weithas Nachf. ist darauf jedoch ganz unterschlagen worden.

In den Folgejahren sind lediglich kleinere Anbauten unter Einbeziehung hinzuerworbenen Areals vor allem östlich des Kesselhauses errichtet worden: Trocken- und Polierraum (1906), Gusslager- und andere Schuppen (1908), Erweiterung eines Prüffeldraumes (1911) durch das Bauunternehmen Walter Schneider. 1916 erfolgte ein Antrag auf Versorgung des Betriebes mit elektrischem Strom durch die Leipziger Elektricitaetswerke.

Zur Ausstattung des Fabrikneubaus gehörte die Errichtung einer Dampfkesselanlage und einer im Querschnitt runden ‚Schornsteinsäule‘ von 33,50 m Höhe. Beides wurde ebenfalls durch das Büro Händel & Franke im Juni 1897 projektiert; als Bauherr sind beide Firmen oder nur SE angegeben. Die Dampfkesselanlage bestand aus einem Zweiflammrohrkessel der Fa. Moritz Jahr, Gera (Reuß) mit der lfd. Nr. 552 (Baujahr 1897; Heizfläche 75 m2, max. Dampfspannung: 8 at Überdruck). Die Genehmigung für Errichtung und Betrieb der Dampfkesselanlage wurde nach Prüfungen durch die zuständige Kgl. Gewerbeinspection Leipzig am 26.08.1897 erteilt, am 03.11.1897 erfolgte die Abnahme der installierten Kesselanlage u.a. zur Heizung mit Dampf. Zuvor, am 11.10.1897, setzte SE Baupolizeiamt und Gewerbeinspection über die ‚interimistische‘ Aufstellung und Betrieb einer ‚10-pferdigen‘ Lokomobile in Kenntnis, da deren ‚eigentliche Betriebsstation noch nicht fertiggestellt sei‘.

Die Errichtung einer ‚Blitzableitung‘ erfolgte durch die Leipziger Fa. Otto Ehrling (baupolizeiliche Abnahme am 12.10.1898). Die bestehende Dampfkesselanlage erwies sich nach wenigen Jahren als unzureichend, weshalb SE am 14.05.1906 die Absicht zur Aufstellung eines zusätzlichen weiteren Dampfkessels mitteilte. Und zwar eines Zweiflammroh-Doppelkessels der ‚Sächs. Maschinenfabrik vorm. Hartmann AG, Chemnitz‘ (lfd. Nr. 4250, Baujahr 1906) von nun 120 m2 Heizfläche und 12 at Überdruck (Verfeuerung sächsischer Braunkohle, mit angeschlossenem ‚Völker’s Halbgasfeuerung mit Schür- und Reguliergungsapparat D.R.B.‘), zur Versorgung der 160-PS-Betriebsdampfmaschine. Die Errichtung erfolgte zügig, so dass am 20.06.1906 die Abnahmeprüfung erfolgen konnte. Jährliche Prüfungen beider Kesselanlagen (in der Bauakte bis 1930 verzeichnet) erfolgten durch die Kgl. Gewerbe-Inspection; in der Bauakte zeichnet der Sächs. Dampfkessel-Überwachungsverein in dieser Funktion ab 1913, später das Gewerbe-Aufsichtsamt Leipzig II. 1937 ist eine Verlängerung der Betriebserlaubnis für die größere Kesselanlage (Nr. 4250) bis zum 31.12.1941 erteilt worden, die aber wohl 1939 stillgelegt wurde (der alte Kessel, Nr. 552, war wohl bereits 1937 nicht mehr in Betrieb). 

1920 beantragte der neue Eigentümer der Fabrik, Unruh & Liebig, den Einbau zweier Dampf-Speisepumpen der Fa. Weise & Monski (Modelle Nr. 508 und 509) zur Versorgung der beiden Dampfkessel, die Inbetriebnahme erfolgte am 31.03.1921. 1923 wird in den größeren Kessel eine Dampfüberhitzungsanlage durch die Fa. F.L. Oschatz, Maschinen- und Dampfkesselfabrik Meerane und durch die Fa. Weinhold & Hiller (Leipzig-Leutzsch) eine Muldenrostfeuerung (‚System Weinhold‘) eingebaut. In diesem Zusammenhang erfolgt im selben Jahr auch der Umbau der Kohlebühne vor der Feuerung und schließlich 1930 noch die Errichtung einer Elekrohängebahn zur Beschickung der Kesselfeuerung über einen Kohlebunker (s. unten).

Unruh & Liebig ließ 1920 durch das für die Fa. bereits früher tätige Ingenieurbüro Paul Ranft auf dem ehemaligen Gelände des Unternehmens Reinhold Wünschmann / SE (Gießerstr. 27/Naumburger Str. 33, nördlich des Kesselhauses) eine massive Werkzeugschlosserei (ausgestattet mit Elektromotoren; städtische Stromlieferung) mit über einer Eisenbetondecke liegendem Essraum für die Werksarbeiter projektieren und durch das Bauunternehmen G. Brömme (Baugeschäft u. Eisenbetonbau Leipzig-Chemnitz) ausführen. Das Gelände Naumburger Str. 31 u. 29 wurde, wie ein Situationsplan von 1929 zeigt, als Lagerplatz benutzt. 1929/1930 erfolgte durch die Fa. selbst die Errichtung einer Elektrohängebahn mit Greiferbetrieb zur Entladung der auf dem Privatgleis P XII ankommenden Kohle-Waggons und Verbringung der Kohle in den Kohlebunker des Kesselhauses bzw. auf den Kohlelagerplatz. Die Bahn sollte auch dem Transport von Drehspänen dienen.

1936 sind wie bereits erwähnt eine Anlage zum autogenen Schweißen mit Acetylen-Entwickler sowie ein Vulkan-Lufthammer mit einem Bärgewicht von 125 kg errichtet worden. 1937 und 1938 erfolgten diverse Schuppen(um)bauten auf Gelände Naumburger Str. 31 durch das Bauunternehmen Oswald Ebert, u.a. für Fahrräder. 1939 hat das Bauunternehmen Fritz Künicke das jetzt stillgelegte Kesselhaus zu einer Werkstatt umgebaut und mit einem Luftschutzraum für 190 Personen ausgestattet. Eine Übersichtszeichnung aus diesem Jahr zeigt, dass die Montagehalle gegenüber ursprünglichen Arbeitssaal vergrößert und die westlich und südlich angrenzenden Räume verkleinert und funktionell neu organisiert worden waren, ohne dass dafür Umbaupläne überliefert zu sein scheinen.

Im gleichen Jahr errichtete diese Firma zudem eine Transformatorenstation mit einer Dampfverteilungsanlage (Speisung durch Werk I) an der Naumburger Str., an der weiterhin 1940/41 eine das Werksgelände abschließende, baufällig gewordene Einfriedung durch eine Mauer ersetzt wurde, die ein wohl bereits früher errichtetes Pförtnerhaus einband. Künicke war nochmals 1942/43 für Unruh & Liebig mit dem Einbau von zwei Lagern für ‚ausländische Zivilarbeiter‘, wie es im Bauantrag euphemistisch hieß, und der Anlage eines Splitterschutzgrabens für diese Arbeiter tätig (ein weiteres Lager wurde im Werk I betrieben).

Ein Fliegerangriff am 20.02.1944 hatte offenbar größere Schäden zur Folge (das Ausmaß ist unklar und es muss offenbleiben, ob nur ein Werkteil oder beide betroffen waren), weshalb das Unternehmen den Architekten Fritz Eberlein, Burgstädt/Sa. im Rahmen von Sofortmaßnahmen mit Wiederaufbauarbeiten beauftragte, die im Oktober dieses Jahres noch im Gange oder noch gar nicht begonnen worden waren.

1949/50 wurde nach Plänen des Architekturbüros Rudolf Hager für Unruh & Liebig, Staatl. AG für Maschinenbau ‚Podjomnik‘‘ die Werksküche im Gebäudetrakt an der Gießerstr. (1. OG) umgebaut. Dabei erhielt der ehemalige Eingangsbereich eine neue Fassade (das OG erhielt drei Fenster), die statt des ursprünglichen Rücksprungs nun in der Gebäudeflucht angelegt wurde (Eingangssituation im EG blieb offenbar eine zeitlang erhalten). Dasselbe Büro projektierte 1953 auch die Errichtung eine Gebäudebrücke, die den Arbeitern des nun neu zum Betriebsgelände zählenden Werkes IV (Weithas-Halle) als Zugang zur Garderobe in Werk II dienen sollte.

Diese kleineren Veränderungen sind Teil eines umfassenden Um- und Neubauprogramms; das wurde erst infolge der amtsseitigen Neuordnung der Bauakte (zwischen Februar und August 2020) deutlich. Ziel der Neuanlage war die maximale Flächenausnutzung von Werk II des unter Angliederung zahlreicher Nachbarunternehmen wachsenden Kirow-Werkes in einem Neubau, der aber der ‚Kapazität‘ des Betriebs gar nicht angemessen war. Im einzelnen lässt sich der gesamte Planungsprozess wohl kaum noch in wünschenswerter Klarheit rekonstruieren. Zudem sind die Lichtpausen der Bauzeichnungen im Bauaktenarchiv im Laufe der Jahre stark verblichen und teilweise kaum noch nachzuvollziehen. Der Neubau wurde trotz der Rüge unzureichender ‚Planvorbereitung‘ und sicherheitstechnischer Einwände (Fluchtwege, Licht und Belüftung, Brandschutz) gegen die ‚Übersteigerung der Überbauung‘ infolge des erteilten ‚Planauftrages‘ schließlich mit verschiedenen Änderungen realisiert. Die gewünschte ‚Bauauflockerung‘ unterblieb aber, und die durch die Betriebsgröße bedingte Überforderung der öffentlichen Verkehrsräume wurde dann noch durch die doppelte Sperrung der Naumburger Str. zugespitzt. Die nähere bauliche Planung der Um- und Neubauten wurde dem Architekten Rudolf Hager übertragen; mit der Bauausführung war u.a. das Bauunternehmen Eduard Steyer beauftragt. Die Bauanträge und Bauzeichnungen sind 1951 angefertigt worden, das Genehmigungsverfahren zog sich bis Ende 1953 hin (Bauantrag und Baubeschreibung konnten bislang in der Bauakte nicht ausfindig gemacht werden).

Eine Erweiterung konnte das Betriebsgelände, d.h. der jetzt als ‚Mechanische Werkstatt‘ bezeichneten ehemaligen Montagehalle, nur auf der Ostseite erfahren (Genehmigung der Mechanischen Werkstatt am 12.12.1953; Unruh & Liebig hatte bereits früher eine ‚mechanische Werkstatt‘ und eine ‚Vorbereitungshalle‘ (s. unten) betrieben; s. Buhl mit falscher Lokalisierung). Zu diesem Zweck wurden bestehende Bauten im Bereich Naumburger Str. 33 sowie das angrenzende, vor allem zu Lagerzwecken genutzte Gelände Naumburger Str. 31, 29 überbaut (alte Toreinfahrten sind mit Pflasterungen im Bereich des Gehweges heute noch sichtbar), eine teilweise noch bestehende ‚Hofkranbahn‘, die in der Bauakte nicht nachweisbar ist [identisch mit Elektrohängebahn?], integriert. Die Stützen in der östlichen Hallenwand (heute in der Ostaußenwand des Spreadshirt-Baus, Naumburger Str. 31, erhalten und sichtbar) fungierten zugleich als Auflager für das neue unmittelbar anschließende ca. 25 m breite Eisenlager, dem sich östlich ein ‚Vorbereitungshalle‘ genannter Bau von ca. 17 m Breite anschließt (beide Hallen genehmigt am 28.02.1953).

Dieser letztgenannte Bau stand zum großen Teil auf einem ursprünglich gepachteten Grundstück, das dann entsprechend angepasst wurde; die Halle ist in der Naumburger Str. 29 erhalten geblieben. Während die auf den Ursprungsbau zurückgehende Westfassade, entgegen ursprünglicher Planung, im wesentlichen unverändert blieb, erfuhr die nördliche einen nach Osten verlängerten, dreigeschossigen Umbau, in dem technische Abteilungen und Verwaltung untergebracht waren. Die heutige Gestalt des Spreadshirt-Baus rekonstruiert hier unter Nutzung originaler Bausubstanz (im ziegelverkleideten EG und den beiden Treppenhausrisaliten gut nachvollziehbar) diesen zeittypischen Bauzustand, stellte hingegen den ursprünglichen Zustand der Westfassade wieder her und damit auch den Bezug auf den Ziegelbau des Nachbarunternehmens C.F. Weithas Nachf.. Die ehemals als Fensterwand ausgebildete Südfassade ist als geschlossene Wandfläche neu geschaffen worden.

Die beiden genannten Hallen ruhten auf Stahlkonstruktionen mit Kranbahnauflagern (gemeinsame Stütze in Längsrichtung) und erstreckten sich über die gesamte Grundstückstiefe in Nord-Süd-Richtung ca. 70 m. Sie waren mit massiven Decken (‚Leipziger Decke‘) versehen, die in der Firstachse mit einem Oberlicht ausgestattet waren (beim Eisenlager auf ca. 48 m Länge). Die Längswände der Vorbereitungshalle waren ausgemauert und mit großen Fenstern ausgestattet (die Westwand aus statischen Gründen mit einer Mauervorlage verstärkt, heute Außenwand). Der Giebel der Vorbereitungshalle wurde zur Erlangung einer einheitlichen Fassade über die Breite des Eisenlagers hinweggezogen, und schloss oben mit einer Attika (mit aufliegender Gesimsplatte) in Firsthöhe des Eisenlagers. Die Wand war ‚in Pfeilersystem‘ ausgemauert, unter Ausbildung eines Bandes großer Fenster zwischen sichtbar belassenen Stahlbetonträgern, darunter befanden sich in flachen Nischen kleinere Fenster, zudem war ein Schiebetor und eine Pforte vorgesehen. Diese Fassadenwand wurde mit ‚ausgesuchten Klinkern‘ (wie an der benachbarten Werkstattfassade) verblendet, mit denen die sichtbar belassenen Stahlbetonträger kontrastierten. Deutlich also das Bemühen um einen qualitätvollen, das bauliche Umfeld berücksichtigenden, bezugnehmenden Industriebau.

Im Zusammenhang mit der gewünschten Betriebserweiterung sah die Bauplanung die doppelte Sperrung der Naumburger Str. durch Errichtung von Einfriedungen und Pförtnerhäuschen (Genehmigung am 28.02.1953) vor: Zum einen in Höhe des Wohnhauses Naumburger Str. 30 (1956 erweitert) und zum anderen in Höhe der Naumburger Str. Nr. 25 (Fotos aus dem Jahre 1953 zeigen in Blickrichtung von der Straßenkreuzung in die Naumburger Str. nur das vordere Pförtnerhaus). Dadurch wurde öffentlicher Verkehrsraum Betriebsgelände zum internen Verkehr zwischen Werk I, II, und V. Mit diesen Bauten wurde auch das alte Pförtnerhaus, das zunächst im Bereich des Eisenlagers erhalten bleiben sollte, nebst Einfriedung überflüssig und wurde zusammen mit Schuppenbauten für den Neubau des Eisenlagers abgerissen. Weitere Um- oder Zubauten sind wohl nicht erfolgt; in den 1960/70er Jahren sind noch ein Bohrwerk sowie Säulendrehkräne errichtet, ferner ist eine Meisterstube mit Werkzeugausgabe in der mechanischen Werkstatt eingebaut worden.

Quellen:

  • Unterlagen im Sächs. Staatsarchiv Leipzig:
  • Schumann‘s Elektrizitätswerk: Handelsregisterakte (Bestand: 20124 Amtsgericht Leipzig, Signatur: HR-Akte1506, zuvor fol.8552), in diesem Bestand der firmengeschichtliche Bericht des Konkursverwalters Arthur Klarner v. 20.7.1932; Konkursverfahren 1932-36 (Signatur: 19316); Schriftverkehr zu Elektrifizierung von Nebenbetrieben der Leipziger Wollkämmerei 1928ff. (Bestand: 20928 Leipziger Wollkämmerei, Sign.: 0886).
  • Stahlbahnwerke Freudenstein & Co. AG: Registerband Nr. 07801-07900 (Bestand: 20124 Amtsgericht Leipzig, Signatur: 21074;), Registerband Nr. 10301-10400 (Bestand: eb., Signatur: 21099).
  • Reinhold Wünschmann: Handelsregisterakte (Bestand 20142, Sign. HRA 406); Unterlagen nach 1945-1973: Bestand 21047, Sign. 1810 u. 2340, Bestand 20242, Sign. 2545.
  • Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt Leipzig, Bauaktenarchiv, Bauakten Gießerstr. 27 (Brandkataster-Nr. 100B, Flurstück 326l bzw. 326/5), Bd. I-VIII, 1897-1990 (II: Dampfkesselanlage, 1897-1937), VIII-X Umbau für Spreadshirt 2007-2008, X,1-11 Statik (2007-2008).
  • Adressbücher der Stadt Leipzig sowie der Vororte vor ihrer Eingemeindung s. www.sachsendigital.de (zuletzt aufgerufen im Okt. 2020). Werbe-Beilagen in den Adressbüchern 1903, 1907 (S. 45), 1909 (S. 45; Abb. der Montagehalle, im Bildtitel als Schumann‘s Elektrizitätswerk bezeichnet)
  • Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen (Hg.), Verzeichnis Leipziger Straßennamen, 2018 (online, pdf)
  • Hans Rückert, Leipziger Industrie. Amtliches Firmen- und Bezugsquellenverzeichnis, Verkehrsamt d. Stadt Leipzig, 1946, Nr. 355, S. 54

Fotografische Dokumente:

  • Deutsche Fotothek, Neg. Nr. 0006478_019 (ca. 1953); Bundesarchiv, Bild 183-21247-0008 und 183-21247-0011, Leipzig, SAG Kirow –Werke (beide 14.9.1953, Foto: Illner), zuletzt eingesehen Okt. 2020.
  • Ruth Teubner (Red.), Kleinzschocher. Geschichte und Geschichten aus dem Leipziger Stadtteil Kleinzschocher, Interessengemeinschaft Buch Kleinzschocher, Leipzig [2009], S. 133

Karten:

  • Leipzig und seine Bauten. Zur 10. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Leipzig …, hg. von der Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure, Verl. Gebhardt, Leipzig, 1892, Beilage: Karte.
  • Theodor Koch, 1888 – 1938. Leipziger Westend Baugesellschaft Leipzig. Zur 50. Wiederkehr ihres Gründungstages, Leipziger Westend-Baugesellschaft Leipzig-Lindenau, Lützner Str. 164, 1938, Karte (1900, aktualisiert): ‚Bahnhöfe und Industriegleise‘ (= Riedel S. 86f.)
  • Sabine Schneller, Hildtrud Ebert, Die Geschichte der Unternehmen der Kranunion. Hg. Kranunion GmbH & Co. KG., Leipzig, 2013, S. 148f.: Karte mit Eintragung der Vorgänger- und übernommenen Unternehmen des Kirow-Werks in Plagwitz und Lindenau.

Weiteres

 Sekundärliteratur:

  • Horst Riedel, Plagwitz. Ein Leipziger Stadtteillexikon, Pro Leipzig, 2017, 7 (Blick in die Werkhalle vor dem Umbau 2008), 227f. mit Abb. des Unternehmensgebäudes der Fa. ‚Spreadshirt‘ (2011)
  • Julia Susann Buhl, Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870-1914 am Beispiel ausgewählter Bauten, Diss. TU Berlin, 2003, zu Unruh & Liebig S. 222-225, zu Werksstraßen S. 96, Abb. 169f. URL: http://edocs.tu-berlin.de/diss/2003/buhl_susann.pdf (kostenfrei zugänglich; zuletzt abgerufen am 12.02.2021)
  • zur Frühzeit der Fa., in der Wilhelm Mathiesen und Max Körting eine Zeit lang arbeiteten: Ulrich Krüger, Gabriele Leech-Anspach, Der Leipziger Unternehmer Max Körting und sein Werk, Sax-Verl., Beucha, 2007, S. 14ff.
  • Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897. Im Auftrag des geschäftsführenden Ausschusses, bearb. v. Johannes Kleinpaul, Leipzig: Daube, 1897, Gruppe I S. 37 Nr. 391, Aussteller-Verz. S. 285. Der Ausstellungspavillon für die Firmen Nietzschmann und Wommer, in dem u.a. auch Schumann‘s Elektrizitätswerk vertreten war (s. eb. Grupppe IX, S. 141f.), ist von dem Architekten Paul Möbius (damals im Büro Händel & Franke tätig) entworfen worden, s. Website der Familie Wommer www.wommwomm.de/bauwerke/ausstellungspavillon-nietzschmann-wommer/ (zuletzt abgerufen 29.12.19).
  • Karl Juckenburg, Das Aufkommen der Großindustrie in Leipzig, Veit Verlag, Leipzig, 1913 (=Volkswirtschaftliche und wirtschafts-geschichtliche Abhandlungen, Folge 3, H. 2), im wirtschaftsstatistischen Zusammenhang finden Erwähnung Fa. Wünschmann (S. 43), Schumann‘s Elektrizitätswerk (S. 55)
  • Grundriss des für die Fa. umgebauten Areals s. https://www.homuth-architekten.de/portfolio-type/firmenzentrale-spreadshirt-leipzig (zuletzt abgerufen 3.2.2020), mit Pressemitteilungen.
  • Umbau durch Homuth + Partner: Stadt Leipzig, Dezernat Stadtentwicklung und Bau, Stadtplanungsamt, Geschäftsstelle Architekutrpreis (Hg.), Architekturpreis der Stadt Leipzig zur Förderung der Baukultur, 2011, Objekt 3. Dazu auch LVZ 14.10.2011
  • Zum ‚Haus der Elektrotechnik‘ auf dem Gelände der ehemaligen Internationalen Baufachausstellung bzw. ‚Alten Messe‘: Leipziger Messeamt (Hg.), Der Start in Leipzig. Die Bedeutung der Großen Technischen Messe und Baumesse Leipzig für die Fortschritte in Technik und Industrie, Essen: Girardet, 1940. S. 9. 257; Ulrich Krüger, Gabriele Leech-Anspach, a.O. S. 58 (mit Abb. des Gebäudes).
  • Zu Unruh & L. und Kirow-Werk s. auch Schneller, Hildtrud Ebert, a.O.

Autor: Richard Brüx

Dank gebührt Herrn Matthias Schulz, Mitarbeiter der CG-Gruppe, der mir den Zugang zum Bauaktenarchiv ermöglichte.

Datum: 03.11.2020

Abbildungen: Fotografien von Richard Brüx

Planskizze 1, 1897-ca. 1916 nach Bauakte Band I (Feb. 2020) fol. 3, 47, 54.

Planskizze 2, ca. 1916-1953 nach Bauakte Band I (Feb. 2020) fol. 127, II (Feb. 2020) fol. 5, 69, VI (Aug. 2020), fol. 57, 74

Die beiden schematischen Planskizzen orientieren sich insbesondere an verschiedenen Situationsplänen, die Momentaufnahmen der Bau- und Nutzungsgeschichte darstellen. Die Skizzen sind nicht maßstäblich angelegt und stellen lediglich Annäherungen an die tatsächlichen Proportionen der einzelnen Baulichkeiten und deren räumliches Verhältnis zueinander dar; auch sind weder die Einzelbauten noch das bebaute Gelände im Grundriss Rechtecke.




Gebrüder Brehmer Maschinenfabrik

Titel des Objekts: Gebrüder Brehmer Maschinenfabrik

Objekt 1: Fabrikgebäude, Gießerstraße 12A, 04229 Leipzig (früher W31 Leipzig), erbaut 1905, ursprünglich für Spezialfabrik für Holzbearbeitungsmaschinen E. Kiessling & Co.ab ca. 1936 zu Gebrüder Brehmer gehörig – Buchbindereimaschinenbau

heutige Nutzung:

  • HSB Unternehmensgruppe (u.a. Heizung-Sanitär-Bau)
  • Verkaufs-Niederlassung der Theo Förch GmbH & Co. KG

Objekt 2: Fabrikgebäude, Karl-Heine-Str. 107/109 04229 Leipzig (früher W31 Leipzig), erbaut 1913, Bauherr Gebrüder Brehmer Buchbindereimaschinenbau

heutige Nutzung:

  • Fa. sage, (Software, Dienstleistungen)
  • Fa. DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH

Stadtteil: Plagwitz

Industriezweig: Polygraphischer Maschinenbau – Buchbindereimaschinen

Datierung: Firmengründung Gebrüder Brehmer: 1879; Fabrikgebäude um 1900 und 1905

Objektgröße: Gesamtfläche der Unternehmensbebauung der Gebrüder Brehmer ca. 10.000 qm.

Bau- und Firmengeschichte:

  • 1872 entwickelt Hugo Brehmer (geb. 1844 in Lübeck) in Philadelphia / USA ein Verfahren zum maschinellen Drahtheften von Papierbögen
  • 1873 ist er gemeinsam mit Bruder August Inhaber der Maschinenbaufirma Brehmer Brothers und entwickelt in den darauf folgenden Jahren die Buchdrahtheftmaschine
  • 1879 kehrt Hugo Brehmer – mit Werkzeugmaschinen aus Amerika – wieder zurück nach Deutschland und siedelt sich in Plagwitz an. Auf dem Gelände der früheren Holzhandlung und Kistenfabrik Just, Kachholz & Reuter (Albertstraße 61, heute: Karl-Heine-Straße 111) gründet er unter dem Namen Gebrüder Brehmer eine Fabrik zur Produktion von Buchbindereimaschinen – zunächst mit zwei Angestellten. Das erste mit Draht geheftete Buch wird auf der Kantate-Ausstellung der Buchhändler in Leipzig gezeigt. Noch im gleichen Jahr arbeiten in der Dampfbuchbinderei H. Sperling die ersten drei Drahtheftmaschinen von Gebr. Brehmer
  • 1884 Die Schiffchen-Faden-Buchheftmaschine wird marktreif
  • 1891 Hugo Brehmer stirbt. Plagwitz ist nach Leipzig eingemeindet
  • Friedrich Rehwoldt übernimmt die Geschäftsführung
  • Ab 1894 Produktion von Falzmaschinen mit halbautomatischer Bogenführung, die bis 1904 vollständig automatisiert werden konnten.
  • Um 1900 wird das Firmengelände bis zur Weißenfelser Straße ausgedehnt. Der Export floriert, die Produktpalette wird erweitert. In der dritten Unternehmergeneration führt Ludolf Colditz (jun.) (1883–1952) die Firma. Er arbeitet seit 1909 bei Gebr. Brehmer.
  • 1912 wird das Nachbargrundstück der ehemaligen Parkett-und Stabfußbodenfabrik A. Heym, Karl-Heine-Str. 107/109 erworben. Diese war seit 1888 am System der Gleisfinger (Anschlussgleise an das Eisenbahnnetz) beteiligt, damit wohl auch Gebr. Brehmer von Anfang an.
  • 1913 wird auf o.g. Grundstück das große Frabrikgebäude im Reformstil mit Klinker- und Putzfassade erbaut
  • 1920er Jahre: Das Firmengelände vergrößert sich durch Ankauf weiterer Nachbargrundstücke in der Weißenfelser Straße. Viele der auf den Grundstücken bereits vorhandenen Fabrikgebäude werden für die eigene Produktion weiter genutzt.
  • 1926 Kauf des Grundstücks Weißenfelser Str. 84 (vorm. F. Koehler Witwe & Sohn, heute Rapidobject GmbH)
  • 1936/37 wird das benachbarte Fabrikgebäude Gießerstr. 12A übernommen. Darin wurden vormals Holzbearbeitungsmaschinen produziert. Bis Ende der 1930er Jahre entwickelt sich Gebr. Brehmer zum Weltmarktführer für Maschinen der buchbinderischen Weiterverarbeitung. Nach Einbrüchen im Ersten Weltkrieg, in Inflation und Weltwirtschaftskrise erreicht das Unternehmen in den Jahren des Nationalsozialismus mit über 2000 Beschäftigten eine vorläufige maximale Ausdehnung.
  • 1939-1945 ist der Betrieb teilweise auf Kriegsproduktion umgestellt und bringt dem Unternehmen erhebliche Gewinne.
  • 1945 Bilanz nach Kriegsende: geringe Kriegsschäden. Das Unternehmen wird aufgrund des Befehls Nr. 124 der SMAD vom 30. Oktober unter Sequester gestellt.
  • 1948 erhält die Enteignung basierend auf den Volksentscheid vom 30. Juni 1946 Rechtskraft. Es erfolgt die Umwandlung in den volkseigenen Betrieb VEB Polygraph, Gebrüder Brehmer.
  • 1951 wird der VEB Polygraph, Gebr. Brehmer Leipzig mit dem VEB Polygraph Triumph Leipzig-Mölkau (vormals Fa. Gutberlet & Co., Mölkau) zusammengelegt und führt die Bezeichnung VEB Polygraph Falz- und Heftmaschinenwerk Leipzig.
  • 1953 Umbenennung in VEB Falz- und Heftmaschinenwerk Leipzig. Der Exportanteil an der Gesamtproduktion erreicht mit 91 Prozent einen Höchststand.
  • 1960 Fusion mit dem VEB Buchbindereimaschinenwerk Leipzig (ehemals Fa. Karl Krause) zum VEB Leipziger Buchbindereimaschinenwerke, Kurzbezeichnung LBW. (Werk I = ehemals Brehmer, Werk II ehemals Krause)
  • 1970 Das Kombinat Polygraph Leipzig (horizontale u. vertikale Zusammenschlüsse) in Zusammenhang mit der Auflösung der VVB Polygraph (nur horizontale Konzentration). Stammbetrieb wird LBW.
  • 1984 Angliederung weiterer Betriebe: VEB Blechverarbeitungswerk, Berliner Str., VEB Werk für graphische Maschinen in Taucha und das Ingenieurbüro Polygraph
  • 1990 nach der politischen Wende wird das Kombinat Polygraph aufgelöst. Die neue Brehmer Buchbindereimaschinen GmbH Leipzig ist ab 1. Juli der Treuhand unterstellt.
    1991 erwirbt die McCain Manufacturing Corporation, Sitz in Hamburg und Chicago, das Unternehmen. Das Sanierungskonzept sieht einen Stellenrückbau von 4/5 auf ca. 500 Angestellte vor.
  • 1993 verlegt das Unternehmen betitelt mit dem Namen McCain Brehmer Buchbindereimaschinen GmbH seinen ursprünglichen Standort von Leipzig-Plagwitz zum 13 Hektar großen neuen Produktions- und Vertriebsgelände (Brahestr. 8) im neuen Industrie- und Gewebepark Leipzig Nordost. Am Jahresende muss wegen konjunktureller Schwierigkeiten der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt werden.
  • 1994 übernimmt der Falzmaschinenhersteller Stahl GmbH & Co. KG aus Ludwigsburg den neuen Leipziger Standort. In die zum größten Teil sanierten Gebäude am alten Standort in Plagwitz ziehen zögerlich nach und nach unterschiedlichste Firmen ein.
  • Ab 1999 gehört die Stahl GmbH mit dem Leipziger Betrieb zur Heidelberger Druckmaschinen AG.
  • 2015 Schließung des Standortes Leipzig der Heidelberg Postpress Deutschland. Damit kommen nach über 135 Jahren keine Buchbindereimaschinen mehr aus Leipzig.

Objektbeschreibung Gebäude Gießerstr.12A: (in Denkmalliste Leipzig Obj.-Dok.-Nr.: 09264279). Das um 1905 errichtete dreigeschossige Fabrikgebäude befindet sich in Ecklage zur Weißenfelser Straße.

Bauherr: Spezialfabrik für Holzbearbeitungsmaschinen E. Kiessling & Co. Die Firma. war 1906 Aussteller bei der 3. Deutschen Kunst- und Gewerbeausstellung in Dresden.

Merkmale: Fabrikgebäude mit turmartigen Eckrisalit und Mansard-Walmdach zur Straßenkreuzung, Klinker-fassade in Formen der versachlichten Architektur nach 1900. Klinker-, Putz- und Kunststeingliederungen. Verzichtet wird auf Bauschmuck, wie beispielsweise am Gebäude der Sächsischen Wollgarnfabrik Tittel & Krüger. Stattdessen wird die Fassade durch den Einsatz verschiedener Materialien akzentuiert, die in ihrer Farbigkeit mit der roten Klinkerfassade kontrastieren.

Objektbeschreibung Gebäude Karl-Heine-Str.107/109: (in Denkmalliste Leipzig Obj.-Dok.-Nr.: 09264128). Das Fabrikgebäude ist ein Stahlbeton-Skelettbau, im Reformstil mit vorgeblendeter Klinker- und Putzfassade. Durch diese Kombination sind große lichtdurchflutete Fenster möglich. Markant: In Jugendstilelemente eingebettete Fensterstürze aus Sichtbeton. Gebäude mit 12 Achsen (Fensterreihen), fünfgeschossig, Einfriedung und Vorgartenstreifen. Im Gegensatz zur Straßenansicht wirkt die Gebäuderückseite kleinteilig, verschachtelt und schmucklos. Architekten: Händel & Franke.

Quellen und Literatur:

Autoren: Juliane Gölzner, Thomas Wommer

Datum: 25.04.2018




Westwerk

Objekt: Westwerk Leipzig

  • früher: Schumann & Koppe ab 1882
  • DDR: VEB Industriearmaturen und Apparatebau Leipzig“ (IAL)
  • heute: Westwerk Leipzig GmbH seit 04/2007

Adresse: Karl-Heine-Str. 85- 93, 04229 Leipzig

Stadtteil: Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie: Gießerei und Armaturenherstellung, Metallverarbeitung

Datierung: 1872

Objektgröße: ca. 16.000m²

Ursprüngliche Nutzung: Gießerei spezialisiert auf Großarmaturen

Heutige Nutzung: Kunstquartier und Ateliers, Offspace, Gastronomie.

Bau- und Firmengeschichte: Die Anfänge der Nutzung reichen bis ins Jahr 1872 zurück. Herr Kaspar Dambacher errichtet an der damaligen Bahnhofstraße, heutigen Weißenfelser Straße einen Betrieb zur Metallverarbeitung. In den ersten 10 Jahren stellt die Gießerei mit vermutlich 4 Beschäftigten Kleinarmaturen her. 1874 erfolgt der Einsatz einer zur damaligen Zeit modernen Dampfmaschine für die Gießerei.

Übernahme durch Schumann und Koppe
Im Jahr 1882 übernimmt ein neuer Eigentümer die Anlagen und leitet den Ausbau des Werkes ein. So entstehen neben einen Wohnhaus in den Folgejahren neue Produktionsflächen und dazugehörige Nebengebäude.

Spezialisierung fördert den Absatz
In den 1890er Jahren verlegt man sich auf die Herstellung von wuchtigen Armaturen wie sie zum Beispiel in Dampfanlagen der Kraftwerkstechnik benötigt werden. Auch Spezialanfertigungen für höchste Drücke oder Absperrventile in schwerer Ausführung werden hier gefertigt. Sicherheitsventile und Entöler sowie Vorwärmer runden das Produktionsprofil ab und finden in ganz Europa guten Absatz. Eine zweite Gießerei wird in Leutzsch um 1900 errichtet. Im Stammwerk Plagwitz ist die Belegschaft auf 140 Mitarbeiter angestiegen.

Erstmalig in Deutschland
1906 gelingt hier der erste Kokillenguss in Deutschland. Ein Verfahren das bei schneller Abkühlung des Gusses ein dichtes Materialgefüge aufweist. Also verbesserte Eigenschaften als beim bisherigen Sandguss. Ein Vorsprung in der Fertigung.

Hochkonjunktur im ersten Weltkrieg
Als Zulieferer für die ersten Marine U-Boote war der Betrieb voll in die Rüstung eingebunden. Auch andere Branchen wie die beginnende Autoindustrie, das Funkwesen oder der Maschinenbau bieten gute Absatzmärkte. Erweiterungen der baulichen Anlagen sind die Folge.

Auf und Ab in den nächsten Jahren…
Nach guten Gewinnen Mitte der 20er Jahre hat auch hier die Weltwirtschaftskrise ihre Spuren hinterlassen. Das Stammhaus mit Firmengiebel ist bis 1926 vollendet. Doch die Zahl der Beschäftigten halbiert sich fast um 1931/32. Auch Wertverluste müssen hingenommen werden. Ab 1933 steigt die Arbeiterzahl wieder deutlich an. Nun ist Platzmangel ein Problem. Die Übernahme der benachbarten Hallen der ehemaligen Pferde-Straßenbahn bringt für kurze Zeit Abhilfe.

Erneut Vollauslastung 1939-45
Durch die Einbindung des Werkes in die Rüstungsproduktion im 2. Weltkrieg erlebt die Produktion eine deutliche Steigerung. U-Boot Armaturen finden schnell Absatz… Ein trauriges Kapitel ist der Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen um die Fertigung aufrecht zu erhalten. Es kommt zur Anmietung von Produktionsflächen ab ca. 1943 in der Umgebung. In die gleiche Zeit fallen auch Zerstörungen durch Fliegerbomben.

Ein neuer Anfang
1946 kam es zur Enteignung laut Volksentscheid. Durch die Sowjetische Militär-Administration in Deutschland (SMAD) erfolgte die Neugründung als SAG „Podjomnik“. Ca. 600 Beschäftigte fanden in der schweren Nachkriegszeit hier eine Anstellung. Weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen konnten erreicht werden.

Am 1. Januar 1950 kommt es zur Umbenennung in SAG „Transmasch“. Das Werk ist wichtig für Reparationsleistungen an die Sowjetunion und auch der Export spielt wieder eine große Rolle.

Neubau in Rekordzeit
Durch die Bedeutung des Werkes wird 1952/53 eine moderne Produktionshalle an der Karl-Heine Straße erbaut. Entworfen von den Architekten Otto Hellriegel und Johannes Koppe wurde der Bau in nur 8 Monaten vollendet. Eine beachtliche Leistung und Architektonisches Wahrzeichen der Modernen Sachlichkeit des heutigen Westwerkes! Bereits in den 1930er Jahren gab es Überlegungen zum Bau einer großen Fertigungshalle, konnte aber erst nach dem 2.Weltkrieg realisiert werden. Zeitgleich erfolgte östlich der Halle die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes. Weitere Investitionen erfolgen…

Zum 31.12. 1953 ging der Betrieb in Volkseigentum über und heißt: VEB „Industriearmaturen und Apparatebau Leipzig“ (IAL)
In den 1960er Jahren konnte sich die Gießerei als die modernste der DDR bezeichnen und durch Taktfertigung konnte die Produktion optimiert werden. Ca. 1000 Beschäftigte stellen u.a. Hochofen- und Hochdruckarmaturen, Walzwerkausrüstungen, Destillieranlagen und weitere Gusserzeugnisse her. Verschiedene Standorte im Leipziger Stadtgebiet kommen hinzu. Durch die Herstellung von Ausrüstungen für die chemische Industrie und Erdölleitungen ist der Export von größter Bedeutung und man hat bis zur Wende mehr als „gut zu tun“.

Ein Leuchtturm für den Wandel im Stadtteil
Ab 1990 übernimmt ein privater Investor die Firma. Für die nächsten 6 Jahre heißt der Betrieb nun: „Industriearmaturen Leipzig GmbH“. In den folgenden Jahren wird die Produktion eingestellt. Das Werk verändert sein Gesicht. Nun folgt ab 2007 eine Umnutzung für kulturelle Zwecke durch die Westwerk Logistics GmbH. Heute kann man auf dem Gelände in einer großen Vielzahl von erhaltenen Gebäuden aus allen Zeitepochen des Werkes eine Menge unterschiedlicher Einrichtungen antreffen. So gibt es neben Ateliers, Werkstätten, Büros auch Gastronomie und Einzelhandel. Das Kunstquartier „Westwerk“ hat sich weit über die Stadtgrenzen von Leipzig einen Namen gemacht und ist durch verschiedenste Veranstaltungen ein wichtiger Bestandteil im kulturellen Leben. Die Mauern der ältesten erhaltenen Gießerei von Leipzig sind hier ebenso zu finden, wie Hallenreste des ehemaligen Straßenbahnhofes der Leipziger Pferde-Straßenbahn aus dem Jahr 1881. Von der Gründerzeit bis zur Moderne kann man den hier befindlichen Fabrikbauten vornehmlich in roter Klinkerbauart auch noch ihre „Gebrauchsspuren“ ansehen. Bei geführten Rundgängen sowie bei Veranstaltungen kann man das Flair der vielfältigen Einrichtungen auf dem Gelände erleben und in die kreative Szene junger Menschen eintauchen. Ebenso können Räume in der ehemaligen Eisengießerei für Veranstaltungen angemietet werden.

Quellen/Literatur/Links:

  • Westwerk GmbH Karl-Heine-Straße 93 04229 Leipzig, www.westwerk-leipzig.de
  • www.wikipedia.de
  • „Vom Zweispänner zur Stadtbahn“, LVB-Chronik, 1996

Autor: Mann, Mathias

Datum: 01.06.2018

Abbildungen:




VDI GaraGe

Titel des Objekts: 
ab 1915 (ca.):   Landmaschinenfabrik Rudolf Sack
ab 1948:           VEB Leipziger Bodenbearbeitungsgeräte (BBG)
seit 2001:         VDI GaraGe

Adresse: Karl-Heine-Straße 97, 04229 Leipzig
Ortsteil: Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie: Maschinenbau, Herstellung von Metallerzeugnissen für die Bodenbearbeitung 

Datierung: um 1881; Fabrikgebäude um 1915 (laut Denkmalliste)

Objektgröße: ca. 1.600 m²

Denkmalstatus: Objekt-Dokumentations-Nr. 09264126

Ursprüngliche Nutzung: Fabrik für Bodenbearbeitungsgeräte / Landmaschinenfabrik

Heutige Nutzung: Jugend- und Technologiezentrum „VDI-GaraGe“

Foto: Dave Tarassow

 

Bau- und Firmengeschichte: Auf Empfehlung des Industriepioniers und Unternehmers Karl Heine gründete Rudolph Sack im Mai 1863 eine Maschinenfabrik in Plagwitz (1889 zu Leipzig eingemeindet). Zunächst in der Alten Straße angesiedelt, erwarb er 1881 mehrere Grundstücke in der Karl-Heine-Straße. In dieser Zeit wurde wohl auch auf dem heutigen Grundstück der Karl-Heine-Straße 99 ein Feuerwehrhaus für seine Fabriken errichtet, die sich entlang und beidseits der Karl-Heine-Straße befanden.

Am 1. Juli 1948 wurde die Firma in ein Volkseigentum (VEB) umgewandelt und erhielt den Namen VEB Leipziger Bodenbearbeitungsgeräte (BBG).

1999 wurden viele noch vorhandene Fabriken abgerissen oder sich selbst überlassen. Das Gebäude stand jahrelang leer. 

Im Auftrag des Vereins Museums für Industrie und Arbeit Leipzig Plagwitz e.V. wurde das ehemalige Fabrikgebäude von Juni 2000 bis Juni 2001 zu einem Technologiecentrum für Jugendliche umgebaut. Es stellte sich heraus, dass das vorhandene Fundament nicht für die Zukunft ausreichte und dadurch umfangreiche statische Maßnahmen zu Grunde lagen. Zusätzliche Stützen in der Gründung waren erforderlich und ein neuer Kern entstand, in dem sich heute ein Nottreppenhaus, die Aufzüge und Toiletten befinden. Das Gebäude wurde komplett entkernt und umgebaut. Hier zu finden sind Untergeschoss, Erdgeschoss und drei Obergeschosse. In der Hausmitte entstand ein Lichthof, der zusätzlich zu den großen Fenstern die Räume mit Tageslicht flutet.

Im September 2000 gründete sich die „GaraGe – Technologicentrum für Jugendliche gGmbH“ als Betreibergesellschaft auf Initiative des Museums für Industrie und Arbeit Leipzig Plagwitz e.V. und des Vereines Deutscher Ingenieure e.V. (VDI). Der Bürgerverein entwarf bereits ab 1991 die Idee, das Konzept und die Arbeitsplattform für das erste Technologiecentrum für Kinder und Jugendliche in Deutschland. Am 31. Juni 2001 war es dann soweit, die GaraGe wurde eröffnet. Der Name leitet sich davon ab, dass viele Erfinder in der GaraGe ihre Ideen entwickelten.

Erstmalig wurde hier auch eine „Porsche Schülerwerkstatt“ vom Autokonzern Porsche eingeweiht. Die “Porsche Erlebniswerkstatt” bietet Kurse rund um die Themen Automobilproduktion, Mobilität der Zukunft und Antriebskonzepte an.

Zum 31. Dezember 2012 wurde die VDI GmbH zu 100 % Eigentümer der GaraGe und heißt nun mehr „VDI – GaraGe“. Die GaraGe nutzt das Gebäude jedoch nicht komplett. Im Dachgeschoss (drittes Obergeschoss) waren zur Anfangszeit die Büroräume von Spreadshirt untergebracht. Als das Textilunternehmen in die Naumburger Straße/Gießerstraße umzog, standen die Räume eine Zeit leer, bis das Bildungsunternehmen indisoft in Leipzig eine Niederlassung eröffnete.

Foto: Dave Tarassow

 

Objektbeschreibung: Das ehemalige Feuerwehrhaus befindet sich zwischen der Karl-Heine-Straße mit dem Jahrtausendfeld und dem Kindergarten der International School Leipzig an der Weißenfelser Straße. Seitlich grüßen das Business Innovation Centre (BIC) und das Westwerk mit dem Karl-Heine-Kanal. Der Eingang ist über eine betonierte Rampe erreichbar. Und vor dem Gebäude, auf der Straßenseite, stehen große Buchstaben aus rostigem Stahl, die „GaraGe“ bilden. Unmittelbar vor dem Gebäude hält auch die Straßenbahnlinie 14.

Quellen/Literatur/Links:
ZM Management: www.zm-mangement.de, http://www.zm-management.de/autotext/tcj_bericht.asp?bURL=cont/referenzen.asp&bTxt=Abgeschlossene+Projekte&bGo=61
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bodenbearbeitungsgerätewerk_Leipzig
Denkmalkarte: https://denkmalliste.denkmalpflege.sachsen.de/Gast/Denkmalkarte_Sachsen.aspx?Hinweis=false

VDI-GaraGe: www.g-a-r-a-g-e.com
Porsche Erlebniswerkstatt: https://www.porsche-leipzig.com/porsche-in-leipzig/gesellschaftliche-verantwortung/bildung-und-wissenschaft/vdi-garage

Autor/in: Dave Tarassow; Überarbeitung Corinna Klußmann

Datum: 22.02.2018; Überarbeitung: 12.08.2023

Abbildungen: (Dave Tarassow, 04.09.2012)




Karl-Heine-Kanal

Stadtteil: Leipzig – Plagwitz, -Lindenau,

Industriezweig/Branche/Kategorie: Verkehrswesen, Schifffahrt

Kurzcharakteristik: künstliche Wasserstraße zum Anschluss von Leipzig an die Saale und weiter an die Elbe und Nordsee

Datierung: ab 1856

Objektgröße: Karl-Heine-Kanal inkl. Anschluss an den Lindenauer Hafen; 3,3 km

Ursprüngliche Nutzung:  von der Elster bis zur Lützner Str. zum Transport der Aushubmassen; zur Wasserregulierung und zur Personenschifffahrt

Heutige Nutzung: von der Elster bis in den Lindenauer Hafen

Objektbeschreibung, Bau- und Firmengeschichte: Carl Erdmann Heine (1819 – 1888), umgangssprachlich Karl Heine genannt, war ein Leipziger Jurist und Unternehmer. Dank des Vermögens seiner Mutter kaufte er in viele Grundstücke im Leipziger Westen, besonders in Plagwitz. Sein Ziel war es diese Grundstücke vor allem verkehrstechnisch zu erschließen und an Unternehmer zu verkaufen. Damit war er sehr erfolgreich. Die Einwohnerzahl in Plagwitz stieg von 387 im Jahr 1855 auf 13.000 im Jahr 1888. 180 Fabrikschornsteine waren Ausdruck der Industrialisierung. Neben 37 Gleisanschlüssen plante und baute er auch einen Kanal. Damit verfolgte er insbesondere drei Ziele:

  • mit den Aushubmassen legte er Sumpfgebiete in der Leipziger Westvorstadt trocken,
  • diese wurden mit Schiffen auf dem Kanal transportiert,
  • mit dem Kanal sollte Leipzig perspektivisch über die Saale an die Elbe und damit an die Nordsee angeschlossen werden. Nebenbei wurde noch während der Bauzeit auch Ausflugsverkehr durchgeführt.

Der Bau begann 1856 von der Weißen Elster ausgehend. Karl Heine erlebte nur einen Teil der Fertigstellung. Er hatte vorsorglich eine Baugesellschaft gegründet. Der Kanalbau endete zunächst an der Lützner Straße, er hatte damit eine Länge von 2,6 km erreicht. Dieses Stück wird als „Karl-Heine-Kanal“ bezeichnet. Auf diesem Abschnitt entstanden 15 Straßen- und Eisenbahnbrücken.

  1. Nonnenbrücke (Nonnenstraße)
  2. Eisenbahnbrücke / Riverboat 
  3. Elisabethbrücke (Erich-Zeigner-Allee)
  4. König-Johann-Brücke (Zschochersche Straße)
  5. Karl-Heine-Bogen (Stadtteilpark Plagwitz) – erst mit dem Stadtteilpark Plagwitz entstanden
  6. Weißenfelser Brücke (Weißenfelser Straße)
  7. König-Albert-Brücke (Karl-Heine-Straße)
  8. Aurelienbrücke (Aurelienstraße)
  9. Gießerbrücke (Gießerstraße)
  10. Gleisbrücke (Radweg Endersstr. – Karl-Heine-Str.)
  11. König-August-Brücke (Engertstraße)
  12. Eisenbahnbrücke (Strecke Leipzig – Probszella, Lindenau)
  13. Saalfelder Brücke (Saalfelder Straße)
  14. Radwegbrücke
  15. Luisenbrücke (Lützner Straße)

Der Karl-Heine-Kanal wurde bis 1990 nicht genutzt. Er war zur Müllhalde verkommen. Nach 1990 wurde er beräumt und auf der ganzen Länge ein kombinierter Rad- und Fußweg angelegt. Zur Expo 2000 erfolgte die Einbindung in die Gestaltung des Stadtteilparks Plagwitz. Seit dieser Zeit findet reger Bootsverkehr statt, der seit 2015 auch bis ins Hafenbecken des Lindenauer Hafens möglich ist. Im Rahmen der Olympiabewerbung für 2012 sollte das Gelände des Lindenauer Hafens das Olympische Dorf werden, mit Wassertaxis zu den Sportstätten. Nach der Absage trat wieder Ruhe ein. Aktuell (2018) ist ein Wohngebiet geplant, das sich bereits im Bau befindet. Am Kanal gibt es Bootsverleihe und zahlreiche Anlegestellen. Mit dem Anschluss an den Lindenauer Hafen, der Endpunkt der derzeit unvollendeten Elster-Saale-Kanals ist, wurde ein durchgängiger Bootsverkehr vom Karl-Heine-Kanal dorthin möglich.

Quellen/Literatur/Links:
eigene Kenntnisse
http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=444
http://www.wasser-stadt-leipzig.de/de/vision.asp
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Heine-Kanal
http://www.saaleelster.de/index2.html
http://www.wsa-magdeburg.wsv.de/Wasserstrassen/Saale_und_Saale-Leipzig-Kanal/index.ht

Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen: „Leipziger Brücken IV – Brücken über den Karl-Heine-Kanal und den Elster-Saale-Kanal 12/10“
Gewässerkatalog 2015-2017 des Regionalen Planungsverbandes Westsachsen

Autor: Helmut Sander / Michael Hartwich, überarbeitet von Frank Heyme

Datum: 15.04.2018 / Überarbeitung: April 2021

Abbildungen: Michael Hartwich (Juni 2017 / Februar 2018)

 




Stadtteilpark Plagwitz

Titel des Objekts:
EXPO-Stadtteilpark Plagwitz

Adresse:
Industriestraße, 04229 Leipzig

Stadtteil:
Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie:
Bahnhof/Güter/, Erholung/Freizeit

Kurzcharakteristik:
Zur EXPO 2000 war die Stadt Leipzig Außenstelle und hatte mehrere Ausstellungsobjekte, darunter den Stadtteilpark Plagwitz. Hier wurde gezeigt, wie eine ehemalige Industriebrache zu einem Stadtteilpark umgestaltet wurde – mit Integration industrieller Materialien, Schienen und Gebäuden.

Datierung:
2000

Objektgröße:
3.500 m²

Ursprüngliche Nutzung:
Verladebahnhof mit drei Anschlussgleisen für die Firmen, die sich kein eigenes Anschlussgleis nutzen konnten oder kein eigenes Anschlussgleis benötigten.

Heutige Nutzung:
Stadtteilpark mit Erhalt des Verladebahnhofs Nr. 1 als Vereinssitz des Wasser-Stadt-Leipzig e.V., Grünflächen mit Basketball- und Spielplatz. Erhaltung eines Teils der ehemaligen Anschlussgleise mit Umwidmung als Wege. Eine Aussichtsplattform aus Schienen und Holzschwellen zum Karl-Heine-Kanal hin. Zum jährlichen Leipziger Wasserfest findet hier das Piratendorf statt.

Bau- und Firmengeschichte:
Bis nach 1990 wurde noch der Verladebahnhof für die umliegenden kleinen Betriebe genutzt. Es gab drei Anschlussgleise, die vom Industriebahnhof Plagwitz-Lindenau ab 1879 abzweigten. Betrieben wurden sie von 15 Werks- und Verbindungsbahnen. Im Jahr 1998 fand ein Planungswettbewerb statt. Ein Jahr später erfolgte der Abbruch maroder und nicht mehr genutzter Gebäude und im selben Jahr der Ausbau der Industriestraße, die vorher noch von Kopfsteinpflaster geprägt war. Von 1997 bis 2000 fanden der Flächenerwerb und die Umgestaltung zum Stadtteilpark statt. Der Park erhielt 2001 den Leipziger Architekturpreis.

Objektbeschreibung:
Die Anlage, die sich zwischen Gießerstraße, Industriestraße und Karl-Heine-Kanal befand, hatte drei Anschlussgleise. Weiter in Richtung König-Johann-Brücke (Zschochersche Straße) führte die Plagwitz-Connewitzer Verbindungsbahn. Für die Weltausstellung „EXPO 2000“ in Deutschland wurde aus der ehemaligen Industriebrache eine Grünfläche mit Freizeitaktivitäten entwickelt. Ein Großteil der Anschlussgleise wurde erhalten und in Wegeverbindungen umgebaut. Erhalten wurde auch das Verladehaus Nr. 1, das heute Vereinssitz des Wasser-Stadt-Leipzig e.V. ist. Zum Tatbestand der Erhaltung war noch nicht klar, wer künftig das Häuschen nutzen könnte, jedoch wollte man es unbedingt aufbewahren und ging damit ein Risiko bei der Unterstützung von Fördermitteln ein. Es entstanden große Grünflächen, ein Basketball- und Spielplatz sowie Sitzflächen. Über den Karl-Heine-Kanal, in Höhe Stelzenhaus, wurde eine Brücke, der Karl-Heine-Bogen, errichtet, der den Kanaluferweg mit dem Stadtteilpark verbindet.

Quellen/Literatur/Links:
www.regio-schiene.de (Poträts > Anschlussgleise)
Literatur: Verbindungsbahn Connewitz-Plagwitz, Böhlitzer Hefte, Anne Tienelt/Frank Baacke, 2015

Autor:
Dave Tarassow

Datum:
22.11.2017

Abbildungen:
Dave Tarassow




Saxonia

Titel des Objekts: Gebrüder Wommer Saxonia-Fleischereimaschinenfabrik

Adresse: Gießerstraße 47, 04229 Leipzig

Stadtteil: Plagwitz; früher Kleinzschocher zugeordnet

Industriezweig / Branche / Kategorie: Maschinenbau / Fleischereimaschinen

Kurzcharakteristik: Verwaltungs- und Wohngebäude mit Fabrikhalle

Datierung: Bau der Gebäude ca. 1905, Fabrikhalle 1923 erweitert

Objektgröße: ca. 4000 qm

Ursprüngliche Nutzung: ab ca. 1907 Gebrüder Wommer Maschinenfabrik, Maschinenbaubetrieb für Fleischereimaschinen SAXONIA

Heutige Nutzung: Rollershop LE (Motorroller; Verkauf und Reparaturwerkstatt). Das Wohn- und Verwaltungsgebäude an der Straßenseite ist derzeit ohne Nutzung.

Bau- Firmen- und Familiengeschichte: Der Schmied Wilhelm Wommer, geb. 1840 im Saarland legte 1870 den Grundstein für die spätere SAXONIA – Fleischereimaschinenfabrik, als er in der Nähe des Leipziger Schlachthofes am Ranstädter Steinweg mit fünf Arbeitern eine kleine Werkstatt in der damaligen Kleinen Gasse 3 eröffnete.
1874 erschuf er die erste Wurstfüllmaschine. 1885 zog die Firma in die Gerberstraße. 1888 wurde der neue Schlachthof in der Südvorstadt fertiggestellt. 1890 zog daraufhin die Firma Wilh. Wommer in dessen unmittelbare Nähe in die Kantstraße. Viele andere Firmen der Fleischwirtschaftsbranche siedelten sich ebenfalls in dieses noch wenig bebaute Gebiet an. 1893 starb der Firmengründer. Seine Söhne Wilhelm und Otto führten zeitweise gemeinsam aber auch einzeln das Unternehmen weiter.
1897 präsentierten sich auf der Sächsisch – Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung Fleischermeister Nietzschmann und die Maschinenfabrikanten Wilhelm jr. und Otto Wommer mit einem eigenen Pavillon – dem ersten Bau unter dem Begriff Jugendstil. Architekt war Paul Möbius. Im Pavillon wurden Fleischereimaschinen und Gerätschaften gezeigt sowie Fleisch- und Wurstwaren produziert, die im Restaurant des Pavillons verspeist werden konnten.
Ab ca. 1898 wurde das Unternehmen mit dem Namen Gebrüder Wommer geführt. Infolge der ständig wachsenden Ausdehnung des Geschäftes ist 1900 in Leipzig-Kleinzschocher, Gießerstr.33 (mit Gleisanschluss) der neue Firmensitz etabliert worden. Die kleinen Standorte der bisherigen Firmen am Schlachthof (Kantstraße und Altenburger Straße) sind aber z.T. bis kurz nach der Wende verblieben. Die Schließung des Schlachthofes 1991 war einer der Gründe für die Aufgabe dieser Betriebe. Hier waren natürlich die Alltagsgeschäfte bezüglich des Bedarfes z.B. an Fleischereiwerkzeugen optimal.
Um 1907 erfolgte der Umzug in die Gießerstraße 47 (ca. 4000 qm), ebenfalls wieder mit Gleisanschluss. Die Erzeugnisse wie Kutter, Fleischwölfe, Wurstfüllmaschinen in unterschiedlichen Baugrößen und Varianten mit der eingetragenen Schutzmarke SAXONIA wurden nicht nur im Inland hoch geschätzt, sondern weit über Deutschlands Grenzen hinaus in alle Welt verkauft.
Nach dem Tod von Wilhelm Wommer jnr. übernahm 1910 der jüngste Sohn Max das Unternehmen. Er hatte als Marokko-Deutscher in den Jahren 1903-1908 praktische Erfahrungen unter anderem als Prokurist sammeln können. Sein Bruder Karl gründete 1912 ein Unternehmen (Wommer & Weller) für Elektomotoren, welches im Gebäudekomplex des heutigen Museums für Druckkunst in der Nonnenstraße 38 untergebracht war. 1915 wurde das Wommer-Werk gegründet. Maschinen für Wurstfabrikation u.a. sind unter der Schutzmarke Lipsia gefertigt worden.
Ab 1922 erscheint “Lipsia” im Firmennamen, wohl auch zur eindeutigen Unterscheidung von Gebr. Wommer in der Gießerstraße 47. Häufige Standortwechsel waren für das Wommer-Werk bezeichnend. 1920 waren zirka 200 Mitarbeiter im Unternehmen Gebrüder Wommer beschäftigt. 1923 wurde der Erweiterungsbau der Fabrikhalle fertiggestellt. In den Jahren von 1920 bis 1922 gelang es Wolfgang Ostwald, Vertreter der Leipziger Industrie für die angewandte Kolloidchemie zu interessieren. Für den Aufbau einer Kolloidabteilung an der Universität in Leipzig gewann er auch Max Wommer. 1926 erschien sein Buch „Die elektrolytische Verchromung System Wommer“
1928 wurde die Gebrüder Wommer Aktiengesellschaft gegründet. Im Juli 1937 erwarb der technische Leiter Paul Wilhelmi mit seiner Ehefrau das gesamte Aktienpaket und verwandelte die Aktiengesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft. Max Wommer hatte sich aus der Firma zurückgezogen. Die neuen Inhaber firmierten aber weiterhin mit dem in Fachkreisen bekannten werbewirksamen Namen Wommer.
Während des 2. Weltkrieges wurde hauptsächlich das bisherige Produktionsprogramm von Fleischereimaschinen aufrechterhalten. Zusätzlich wurden Lohnarbeiten an Kriegsgeräteteilen als Unterlieferer für große Rüstungswerke ausgeführt. In (4) werden Ostarbeiter, Ukrainer und Griechen erwähnt, die im Lager „Mangold“ in der Diezmannstr. 68 untergebracht waren. Andere Unterlagen sagen aber auch aus, dass sich die Wilhelmis jahrelang (1940-1943) der sog. „Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft“ verweigerten. Das Firmengelände überstand den Krieg nahezu unbeschadet.
Nach Kriegsende kam das Unternehmen Ende August 1945 durch den SMA-Befehl 124 unter Sequester. Die Eheleute Wilhelmi wurden nach diversen juristischen Auseinandersetzungen aus dem Betrieb „entfernt“. Nach dem Volksentscheid in Sachsen am 30.6.1946 erfolgte am 1.7.1946 die entschädigungslose Enteignung der bisherigen Inhaber.
Am 1.7.1948 erfolgte die Zuordnung der VEB Fleischereimaschinenfabrik Saxonia Leipzig zur VVB NAGEMA. Die Aufgabe des Produktionsstandortes für Fleischereimaschinen und Anschluss an die VEB Druckmaschinenwerke Leipzig als Betriebsteil VI fand 1965 statt.
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde dieser im Zusammenhang mit der Neustrukturierung und Konzentration des Druckmaschinenwerkes Leipzig in der Riesaer Str. als zirkon Druckmaschinen GmbH aufgegeben.
Nutzung 1994 bis ca. 2015: Autohof Kosmalla mit KFZ-Werkstatt.
Aktuelle Nutzung (2017): Rollershop LE (Verkauf, Service und Reparatur von Motorrollern). Das Wohn- und Verwaltungsgebäude ist ungenutzt und entwickelt sich zur Ruine.

Objektbeschreibung4-stöckiges Wohn- und Verwaltungsgebäude mit gelber Klinkerfassade, Nordseite ohne Fenster. Diese Fassadenfläche war mit einer großflächigen Werbung für die Firma versehen. Im hinteren Areal befindet sich eine ebenerdige Fertigungs- und Montagehalle. An der südlichen Seite des Geländes war ein Bahnanschluss entsprechend des Konzeptes der Gleisfinger bzw. Gleisharfe für die vielen Anrainerbetriebe vorhanden.

Quellen/Literatur/Links:
(1) Festschrift zum 50-jährigen Firmenjubiläum
(2) Firmenchronik 1949
(3) Broschüre; Plagwitz: Aus der Geschichte des Vorortes und seiner Industrie 1985
(4) Fremd- und Zwangsarbeit im Raum Leipzig 1939-1945, Leipziger Kalender, Sonderband 2004/1
http://www.wommwomm.de/firmen.html
Familienunterlagen, Adressbücher, Maschinen-Kataloge, Prospekte

Autor: Thomas Wommer

Datum: 22.6.2017

Abbildungen: Archiv der Familie Wommer




Buntgarnwerke

Objekt:
früher: Sächsische Wollgarn-Fabrik Aktiengesellschaft vormals Tittel & Krüger
DDR: VEB Buntgarnwerke Leipzig
heute: Loftwohnungen, Gewerbe

Adresse: Nonnenstraße 17-21 / Holbeinstraße 14

Stadtteil: Plagwitz (Nonnenstraße) / Schleußig (Holbeinstraße)

Industriezweig/Branche/Kategorie: Textilindustrie

Kurzcharakteristik: repräsentative Backsteinarchitektur, hervorragendes Industriedenkmal

Datierung: 1875

Objektgröße: 50.000 m²

Bau- und Firmengeschichte:
1866 – Gründung eines Garnhandels im Stadtzentrum durch Carl Augustin Tittel, ab 1869 mit Teilhaber August Andreas Krüger
1875 -1878 – Bau einer Fabrik für Tapisseriewaren (Nonnenstraße), Bau einer Dampffärberei auf dem heutigen Grundstück, weiterer Ausbau als Wollgarnspinnerei
1887 – Gründung der Sächsische Wollgarn-Fabrik Aktiengesellschaft vormals Tittel & Krüger
1888 – Hochbau West (östlich der Nonnenstraße), modernes Gebäudetragwerk mit repräsentativer Fassadenarchitektur
1897 – Betriebswohnungen westlich der Nonnenstraße
1906 – Hochbau Süd an der Holbeinstraße, Verbindung durch eine zweigeschossige Brücke über die Weiße Elster und eine Brücke für das Anschlussgleis (2015 abgerissen), mehrere Änderungen der Firmenstruktur, Einschränkungen durch die Weltwirtschaftskrise
1931 –
das Unternehmen meldet Konkurs an; weitere Einschränkungen durch den Zweiten Weltkrieg
1945-1951 – treuhänderische Verwaltung, danach Volkseigentum
1969 – Vereinigung mit anderen Betrieben als VEB Buntgarnwerke Leipzig
nach 1989 – Abwicklung durch die Treuhand
ab 1991 – Umwandlung in eine GmbH, Verlagerung der Produktion inklusive der technischen Ausrüstungen nach Tschechien
1992 – Verkauf an eine Erbengemeinschaft und Investoren, schrittweise Sanierung ab 1993 durch verschiedene Eigentümer und Investoren, vorwiegend in Loftwohnungen und Gewerbeflächen (Elster-Lofts, Elster-Business-Park, Venezia-Quartier), Würdigung der gelungenen Sanierung als EXPO-Objekt 2000

Objektbeschreibung: sanierte Klinkerbauten. Die Besonderheit bei der Sanierung des Hochbaues West ist die Entkernung in der Mitte als Lichthof sowie die zweigeschossigen Lofts zur Anpassung an hohen Geschosshöhen des Industriebaus. Der Gebäudekomplex der Buntgarnwerke auf beiden Seiten der Weißen Elster gilt als das größte erhaltene Industriedenkmals Deutschlands.

Quellen/Literatur/Links:
http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=693
www.google.de Bildersuche: Buntgarnwerke Leipzig Loft
Sikora, Bernd (2010): Industriearchitektur in Sachsen. Erhalten durch neue Nutzung. Edition Leipzig.

Autor: Helmut Sander, 21.06.2017; Kathrin Töpfer, 06.02.2022

Bilder: Quellen Helmut Sander/ eigene Aufnahmen Michael Hartwich (Juli 2016)




Museum für Druckkunst

Titel des Objekts: Museum für Druckkunst Leipzig

Adresse: Nonnenstraße 38

Stadtteil: 04229 Leipzig-Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie: Polygraphisches Gewerbe

Kurzcharakteristik: Museum zum „Anfassen“ in einem ehemaligen Druckereigebäude

Datierung: 1915-17 Errichtung der Gebäudefront zur Nonnenstraße, Umgestaltung der Fassadenfront in den Jahren 1922-23 mit Art Déco-Elementen. Die den viereckigen Hof begrenzenden Fabrikteile sind älter und wurden ca. 1908 errichtet.

Objektgröße: ca. 4000m²

Ursprüngliche Nutzung: Um 1876 begann eine Firma für Strickmaschinen mit der Produktion auf dem Gelände. Eigentümer war der Kaufmann Gustav Ludwig Oehmler. Die ersten baulichen Anlagen des Grundstückes befanden sich im heute hinteren Bereich des Hofes in Richtung Gleisstraße. 1908 erfolgt die Übernahme durch Theodor Wilhelm Weickart und die Umgestaltung zur heute vorhandenen vier Flügel umfassenden Fabrikanlage. Hergestellt wurden nun Brenner für Gas- und Petroleum. Eine Erweiterung der Lampenfabrik erfolgte in den Jahren 1915-17 mit einem Neubau der Front an der Nonnenstaße. Im Gegensatz zum Vorgängerbau (zwei Etagen) verfügt das neue Gebäude nun über eine Ebene mehr. Durch fortschreitende Nutzung der elektrischen Beleuchtung verließ die Fabrik für Gas- und Petroleumbrenner das Areal. Ab dem 8.September 1921 war die Leipziger Reisebuchhandlung Dr. Karl Meyer GmbH neuer Nutzer der Gebäude. Das Unternehmen wurde bereits 1919 gegründet und verlegte seinen Firmensitz 1922 in die Nonnenstraße 38. Am neuen Standort arbeiteten bis zu 350 Angestellte in verschiedenen Bereichen wie Druckerei und Buchbinderei. Ebenso wurden Gegenstände des Kunsthandels vor Ort gefertigt. Der Buch- und Kunstverlag wuchs. So entstanden 1922 die beiden Fahrstuhltürme und erleichterten Transport und Fertigung. Hergestellt wurden diese vom bekannten Plagwitzer Unternehmen Unruh und Liebig. Das erfolgreiche Unternehmen wollte sich auch nach außen repräsentieren. Es beauftragte den Architekten Edgar Röhrig in den Jahren 1922/23 mit der Umgestaltung der Fassade zur Nonnenstraße im Stil des Art Déco. Seinen Namen und die Jahreszahlen der Arbeit trägt eine noch heute vorhandene Relief-Palette im Putz rechts neben dem Eingang. Ebenso wurden die Räume des Vorderhauses mit in den Umbau einbezogen. Entstanden ist eine dezente Fassade im damaligen Zeitgeist, die ihresgleichen im Stadtbild sucht. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Haus ohne Schäden und die Firma Dr. Karl Mayer konnte weiter produzieren. Jedoch ging die Verstaatlichungswelle nicht an dem Privatunternehmen vorüber. Zu Beginn des Jahres 1953 erfolgte die Zwangsverstaatlichung. Als Teil des VEB Offizin Haag Drugulin kam es 1954 zur erneuten Änderung des Firmennamens: Im Verbund mit anderen Druckereien ging das Unternehmen im VEB Offizin Anderson Nexö auf. Die Produktion lief auf Hochtouren bis in die Zeit um 1990/1991. Nach dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch fehlten die Absatzmärkte. Die Anlagen waren veraltet. Nach einer Phase der Ungewissheit kam es 1994 zur Gründung des Museums. Der Verleger Herr Ekkehart Schumacher Gebler war Initiator und treibende Kraft. Ihm hat Leipzig dieses einmalige Museum zu verdanken. Es folgte ein etappenweiser Umbau, der den Charakter des Hauses erhalten hat. Im Jahr 1999 konnte die unter Denkmalschutz stehende Fassade zur Nonnenstraße nach der Sanierung neu erstrahlen.

Heutige Nutzung: Hervorragend restauriert kann man hier an einem authentischen Ort die Entwicklung der für Leipzig prägenden Branche erleben. War in diesem Haus die sogenannte Schwarze Kunst doch schon seit Jahrzehnten ansässig und ist es bis heute geblieben. Beim Eintreten riecht man schon bald den typischen Geruch von Druckerschwärze und Öl. An Wochenenden oder anderen Terminen kann man die Technik in Betrieb erleben, Blei wird geschmolzen und in Form für Buchstaben oder Noten gebracht. Anschaulich und verständlich erlebt man hier die Prozesse Gießen, Setzen sowie Drucken in Werkstattatmosphäre. Besucher können auch Handabzüge selbst erstellen und die Werkstatt wird rege von Künsteln genutzt. Hier kann man alles über die verschiedensten Techniken der Polygraphie erfahren. Das Herzstück der Sammlung ist die Schriftgießerei, sie bildet mit ihren mehren tausend Schriftarten eine in Europa einmalige Vielfalt und den Ausgangspunkt zu Drucken aller Art und Größe. Früher wurden die Bleibuchstaben noch von Hand gegossen und der Schriftsetzer erstellte die Texte daraus ebenfalls per Hand. Später gab es bereits Maschinen, wie die Monotype aus England. So konnte Satz zum Drucken per Lochstreifen von der Maschine gelesen und gegossen werden. Ein großer Fortschritt und für Jahrzehnte der Standard in der Bleisatzherstellung. Einige dieser fantastischen Maschinen sind noch heute bei Firmen aktiv. Eine umfangreiche Palette von ca. 100 funktionstüchtigen Maschinen zeigt das Haus zu den Herstellungsschritten Guss-, Satz- und Drucktechnik. Diese wurden in verschiedenen Zeitepochen entwickelt und eingesetzt. Viele Bauarten und Techniken vermitteln einen Einblick in die facettenreiche Branche und den Erfindergeist der Menschen. Ziel war stets die Produktion effizienter und billiger zu gestalten. Alles Wissen der Menschheit war früher im Medium Buch zu finden und „gespeichert“. Die Herstellung von Büchern hat sich seit Gutenberg in den folgenden fünf Jahrhunderten gewaltig verändert. Aus Handsatz wurde Computersatz. Das Exponat einer Offsetdruckmaschine aus dem Jahr 1978 schafft den Übergang zu neuerer Drucktechnik. All die Zwischenschritte werden hier im Haus den Besuchern gezeigt als auch von fachkundigen Personal erklärt. Tiefdruck in Verbindung mit Kupferstich sowie Lithographie wird in dem einmaligen Museum gleichfalls repräsentiert. Diese Techniken wurden früher oft für Illustrationen und Bilder verwendet. Eine Besonderheit war damals auch der Notendruck. Gern nehmen Künstler die Möglichkeit wahr, sich den alten Herstellungstechniken zu bedienen und schaffen dabei außerordentliche Werke. 2008 konnte das Museum um eine Xylographie-Werkstatt erweitert werden. Hier kann man alles über den Holzstich erfahren.

Eine besondere Rarität ist die Lichtdruckwerkstatt. Diese geniale Technik ist voll funktionstüchtig und nutzbar. Sie ist in der Welt fast einmalig und nur hier zu bestaunen. Eine zweite Lichtdruckmöglichkeit befindet sich nur noch in Japan. Ebenso gibt es Angebote für Kinder und Familien. Sonderausstellungen sowie spezielle Führungen und Tagungsmöglichkeiten runden das Profil des Hauses ab. Ein neu gestalteter Innenhof lädt die Besucher zum Verweilen ein. Im Museumsshop findet man Drucksachen, die im Haus gefertigt wurden, Karten für Einladungen u. ä. oder Bleibuchstaben zur Verwendung als Stempel und vieles mehr. Ein Ort wirklicher Industriekultur in Verbindung mit der Polygraphie, den man nicht zur einmal besucht haben sollte!

Objektbeschreibung: Das historische Ensemble verfügt über eine in Leipzig seltene Art Déco-Fassade zur Nonnenstraße, die in den letzten Jahren umfassend saniert wurde. Der Eingangsbereich liegt nicht symmetrisch zur Mittelachse des Hauses. Ein Dreiecksgiebel betont die obere Etage. Den rechteckigen Hof begrenzen Klinkerbauten. Verwendet wurden dort rote Klinker und gelbe Steine als Fensterbögen. Sie zeigen Industriearchitektur der Jahre um den Ersten Weltkrieg. Im authentischen Flair kann der Besucher hier in die Geschichte des polygraphischen Gewerbes erleben. In dieser Branche haben über Jahrzehnte Leipziger Familien Arbeit gefunden. Eine Besonderheit bilden auch die noch vorhandenen Fahrstühle von 1922. Der Aufzug im öffentlichen Treppenhaus des Museums verfügt über einen außergewöhnlichen Brems-Mechanismus, den es in Leipzig nur noch an einer weiteren Stelle gibt. Neben dem eigentlichen Museum gibt es noch Räume für Sonderausstellungen, Büros und Werkstätten sowie einen Saal für Tagungen. Leipzig, als DIE ehemalige Buchstadt Europas und der Welt hat damit ein einzigartiges Museum zur Polygraphie an einem authentischen Ort, welches zeigt, dass Drucken eine Kunst ist!

Quellen/Literatur/Links:

Museum für Druckkunst Leipzig, Öffentlichkeitsarbeit Frau Hartmann

http://www.druckkunst-museum.de/home_de.html

Autor: M. Mann

Datum: 25.10.2016

Abbildungen:

1-5 Museum für Druckkunst Leipzig, Öffentlichkeitsarbeit Frau Hartmann (M. Mann )

Restliche Aufnahmen: M. Mann 02.09.2016 und 11.09.2016