Karl Krause

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Titel des Objekts: Buchbindereimaschinenwerke Leipzig / Karl-Krause-Fabrik

Adresse: (Fabrikgebäude) Theodor-Neubauer-Str. 60 04318 Leipzig, 1905-1963: Karl-Krause-Str. 60

Stadtteil: Anger-Crottendorf

Industriezweig/Branche: Polygrafischer Maschinenbau / Buchbindereimaschinenbau

Datierung: Firmengründung 1855, Fabrikgebäude 1913

Objektgröße: Nutzfläche Fabrikgebäude ca. 7700 m², Fabrikgelände (schwankende Größenangaben): ca. 63.000 m², bzw. 5ha (1892)

Ursprüngliche Nutzung: Fabrikgebäude für den Bau von Buchbindereimaschinen und Lehrwerkstatt

Heutige Nutzung: keine, gegenwärtig Ruine

Bau- und Firmengeschichte:

  • 1823 wird Karl Krause als 11. Kind der Familie in Liemehna, einem preußischem Dorf bei Eilenburg, als Sohn eines Gutsbesitzers (auch Landwirt notiert) geboren. 1838 Umzug nach Leipzig. Er arbeitet als Laufbursche des Konditors Wilhelm Felsche für das Café Français (neben der Paulinerkirche). Felsche ist in Liemehna an einer Zuckerfabrik beteiligt. Anmerkung: Café zu Beginn des 1. Weltkrieges umbenannt in Café Felsche
  • 1842-1846 Schlosserlehre, anschließend Wanderschaft in SW-Deutschland und der Schweiz
  • 1848 wieder in Leipzig, bildet sich Krause autodidaktisch weiter und arbeitet als Geselle in mehreren Maschinenfabriken, auch in der Leipziger Eisenbahnbau-Werkstatt der Gebr. Harkort, wo seine Meisterwerdung erfolgt. Der Meistertitel wird ihm verwehrt, so nennt er sich Mechanicus und Maschinenbauer
  • 1855 richtet sich Krause in der Erdmannstraße (heute Reichelstraße) mit geringem Kapital und der Hilfe von Felsche eine Reparaturwerkstatt für Maschinen des grafischen Gewerbes ein. Innungszwang und Schwierigkeiten als Ausländer das Bürgerrecht zu erlangen, erschweren Krause die Etablierung, ehe er seinen Bürgereid leisten kann. Im Fokus stehen bald selbstgebaute Steindruckpressen und Papierschneidemaschinen. Krause baut eine stark verbesserte Kniehebelpresse für Blinddruck und Vergoldung
  • 1857 kommt eine kleine Eisengießerei hinzu
  • 1859 beginnt der Export seiner Erzeugnisse
  • 1861 Umzug des Betriebes in die Inselstraße 14/16 – in das Graphische Viertel  (um 1900 gibt es im Graphischen Viertel ca. 2100 Betriebe der Branche, also Verlage, Druckereien, Buchbindereien, Buchhandlungen, Antiquariate und entsprechende Maschinenbaubetriebe)
  • 1870 kauft Krause in Crottendorf, östlich von Leipzig gelegen, ein großes Gelände für seine neue Fabrik
  • Krause bezieht seine Gussteile noch von drei fremden Gießereien
  • Ab 1873 beginnt deshalb der Bau der neuen Fabrik mit der Eisengießerei, was sich zeitweise auch in der Firmenbezeichnung wiederfindet: Maschinenfabrik und Eisengießerei Karl Krause, Leipzig
  • Schmiede und Kesselhaus folgen.
  • 1877 Fabrikhallenbau längs der heutigen Zweinaundorfer Straße
  • 1878 zieht die gesamte Belegschaft um – die Baumaßnahmen sind im Wesentlichen abgeschlossen. Das Pendeln zwischen Inselstraße und Crottendorf hat ein Ende. Krause wird als sozial eingestellter Patriarch charakterisiert: Auch zum Wohle der Firma lässt er Werksküche, Bibliothek, betriebseigenes Schwimmbad, Umkleideräume und Werkswohnungen bauen, sorgt für die Vergabe von Sozialleistungen und initiiert einen Sanitätsdienst. Er lässt auf dem Firmengelände fast 100 sogenannte Familiengärten nach Schreberschem Vorbild anlegen, die den Arbeitern gegen eine geringe Pacht zur Nutzung überlassen werden.
  • 1887 Anschluss durch die Leipziger Pferde-Eisenbahn (LPE) an Leipzig. Das Projekt wird von Krause mit Land und Geld unterstützt. Die Konzession als Betreiber der LTE besitzt eine englische Firma. PKW und das alltagtaugliche sichere Fahrrad gibt es noch nicht! Die Fabrik ist auch für Leipzig der größte Arbeitgeber.1883 fusionieren Anger und Crottendorf zur Gemeinde Anger-Crottendorf mit Krause als größtem Arbeitgeber.
  • 1889 wird Anger-Crottendorf zur Stadt Leipzig eingemeindet, ebenso wie z.B. Reudnitz
  • 1893 erhält Karl Krause für sein soziales Engagement den Ehrentitel Kommerzienrat 
  • 1893/94 Übergabe der Firmenleitung an Heinrich Biagosch (Schwiegersohn und Ehemann einer seiner 3 Töchter und in der Krause-Firma seit 1877 beschäftigt). Er wird Teilhaber.
  • 1895 Übernahme der Falz-und Heftmaschinenfabrik Ernst Preuße
  • 1896 hat die Fabrik 600 Beschäftigte und wird ein führendes Unternehmen der Branche
  • 1898 lässt Krause eine Eisenbahnverbindung zum Werk errichten. Er nutzt die Nähe des Eilenburger Bahnhofes. Die Waggons können bis in die Höfe der Fabrik fahren, unmittelbar an der Westseite der benachbarten Eisen-bahnbrücke (in Denkmalliste Leipzig Obj.-Dok.-Nr. 09264507), später erbaut: 1905. Auf der Zweinaundorfer Str. ergibt sich so eine kuriose Schienenkreuzung von Straßenbahngleis und Eisenbahngleis. Kurios auch der minimale Spurweitenunterschied (Straßenbahn: 1458 mm, Eisenbahn: 1435 mm. Die Differenz soll auf einem Umrechnungsfehler vom Zoll-System ins metrische System (in Deutschland ab 1872) für das Straßenbahngleis entstanden sein. Noch heute besitzt die Leipziger Straßenbahn die größte Spurweite aller deutschen Straßenbahnen. Zusätzlich hat die Fabrik aber auch einen eigenen Fuhrpark.
  • 1902 stirbt Karl Krause. Heinrich Biagosch übernimmt den Betrieb.
  • 1903 Ein 2.Rückschlag: Große Teile der Fabrik fallen einem Brand zum Opfer. Wiederaufbau und Brandschutz-maßnahmen folgen, z.B. Brandschutzmauern und eigene Feuerwehr
  • 1906 ist die Villa Krause fertig – ein gelber Klinkerbau – ein veritabler (wahrhaftiger) Stilgemischtwarenladen
  • Familie Biagosch wohnt zusammen mit der Witwe Karl Krauses in der Villa auf dem Fabrikgelände.
  • Ab 1918 sind alle drei Söhne von Biagosch in der Geschäftsleitung
  • 1919 wird das Unternehmen in Krausewerke umbenannt
  • 1922 verfügt das Werk über ca. 1600 Beschäftigte
  • 1924 stirbt Vater Heinrich Biagosch
  • 1929 wird die Repetier-Kopiermaschine erfunden.
  • 1934 Sonderabteilungen fertigen Flugzeugteile (bis1941)
  • 1936 neuer Name Karl Krause, Maschinenfabrik
  • Ab 1941/42 kommen auch Zwangsarbeiter zum Einsatz, besonders aus Osteuropa
  • 1942/43 wird die erzwungene volle Kapazität des Betriebes zur Panzer-Ersatzteilproduktion ausgeschöpft.
  • Kurz vor Kriegsende sind ca. 530 Zwangsarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen wird durch Bombardements der Alliierten beschädigt: Die Fabrikhallen brannten zu ca.65% aus.
  • 1945 nach Kriegsende werden 70% der Werkzeugmaschinen und Betriebsanlagen demontiert und in die SU abtransportiert. Die verbleibenden 30% sollen für Reparationsaufträge genutzt werden.
  • 1946 wird die Firma auf Grund des Volksentscheides in Sachsen enteignet. Die drei Söhne von Heinrich Biogasch verlassen Leipzig Richtung Westen (alle drei waren in der NSDAP). In Neuss gründen sie das Unternehmen neu.
  • 1948 wird das Werk in Leipzig verstaatlicht und nennt sich nun Polygraph Karl Krause VEB Papier-Verarbeitungsmaschinen
  • 1949 Umzug der Biagosch-Firma von Neuss nach Bielefeld, Gründung der Krause-Biagosch GmbH Deutschland
  • 1951 Umbenennung des Leipziger Werkes zum VEB Polygraph Buchbindermaschinenwerk Leipzig, gängige Kurzbezeichnung: Bubima
  • 1959/1960 wird die ehemalige Firma Gebr. Brehmer (ansässig in Plagwitz) mit dem VEB Buchbinderei-Maschinenwerk Leipzig zum neuen Großbetrieb VEB Leipziger Buchbindereimaschinenwerke fusioniert, Kurzbezeichnung LBW. Die Eigenständigkeit geht verloren. Zur Unterscheidung wird es Werk II genannt.
  • 1970 wird das Kombinat Polygraph Leipzig gegründet (horizontale und vertikale Zusammenschlüsse) in Zusammenhang mit der Auflösung der VVB Polygraph (nur horizontale Konzentration). Das Kombinat hat ca. 16.000 Beschäftigte und liefert Erzeugnisse in mehr als 60 Länder. Stammbetrieb wird LBW.
  • 1990 wird das Kombinat Polygraph Leipzig aufgelöst und in seine einzelnen Betriebe zerlegt. Der Betrieb wird ab 1. Juli der Treuhand unterstellt. Die neue Brehmer Buchbindereimaschinen GmbH, letzter Anschließer am ehemaligen Eisenbahn-Anschlussgleis.
  • 1994 Werksschließung (Werk II) und Abriss fast aller Gebäude – siehe auch Katalogseite Gebrüder Brehmer zur Entwicklung von Werk I. Die Stadt Leipzig plant ein neues Wohngebiet, das aber bis heute nicht realisiert ist. Neue Straßennamen werden festgelegt, z.B. Weidenbachplan.
  • Kurz nach der Jahrtausendwende sind die letzten Gleise, die Weichen an der Abzweigstelle Anger und die Brückenüberbauten über die Zweinaundorfer Straße demontiert.
  • 2013 bis 2014 werden Krause-Villa (in Denkmalliste Leipzig Obj.-Dok.-Nr.: 09264498) und Remise (Wirtschaftsgebäude) umfangreich saniert, ebenfalls das Kontorgebäude mit Tordurchfahrt (Zweinaundorfer Straße 59 = alte Firmenadresse). Neue Wohnungen entstehen, außerdem eine Klinik für Kavitation (Ziel: Gewichtsreduzierung) und eine Gemeinschaftspraxis. Im 1913 errichteten Fabrikgebäude sollen 100 Wohnungen entstehen, weitere 100 auf dem inzwischen bewaldeten Areal.

Objektbeschreibung: Fabrikgebäude (in Denkmalliste Leipzig Obj.-Dok.-Nr.: 09261088), erbaut 1911 bis 1913, am Giebel die Inschrift A.D.1913, in offener Bebauung, ein dominanter Bau, ortsbildprägend von Bedeutung, 4 bzw.5-geschossig, rote Klinkerfassade, Gebäude auch für Verwaltung und Lehrwerkstatt genutzt.
Markant: Gebäude mit vielen Türmen und pittoresker (malerischer) Dachlandschaft von der Gebäuderückseite aus sichtbar, 22 Achsen (Fensterreihen), davon mit 5 Achsen mit Halbgeschoss und Dreieckgiebel, ausgebautes Dachgeschoss. Andere Baulichkeiten an der Gebäuderückseite sind abgebrochen worden.
Blick-Tipp: Links neben dem Fabrikgebäude (Theodor-Neubauer-Straße 60) führt ein zum Schleichweg degradierter Fußweg zur 2013 stillgelegten Eisenbahnstrecke inkl. S-Bahnhaltepunkt. Von hier aus hat man eine schöne Aussicht auf das große Areal der ehemaligen Fabrik, rechts die Rückansicht des großen beschriebenen Fabrikgebäudes, hinter einem wildgewachsenem jungen Wäldchen die Villa-Krause – gerade noch sichtbar. Die einstige Eisenbahnstrecke soll zum „Parkbogen Ost“ umgestaltet werden – so der Plan. Die bis heute existierende Industriebrache ist ein Sinnbild für den schwierigen Strukturwandel nach 1990.

Quellen/Literatur/Links:

Autoren: Dave Tarassow, Thomas Wommer

Datum: 25.04.2018

Fotos: Dave Tarassow (13.01.2013)